Green and Clean beschäftigt sich mit 150 Jahren utopischen Darstellungen von Energie in Literatur, Comics und Film – ein ethnologischer Rundumschlag, dessen Reichweite und Auswahl aber nicht unproblematisch sind.

Marco Behringers Buch Green and Clean ist ein ungewöhnliches Projekt, zentriert sich die Auseinandersetzung der Europäischen Ethnologie, in der Behringer beheimatet ist, doch sonst kaum um Literatur und Comics und noch seltener um Zukunftsbilder in denselben. Behringer geht es um die Erforschung der »Technikakzeptanz« (14) alternativer Energiemodelle anhand fiktionaler Texte aus mehr als einem Jahrhundert deutscher und internationaler Produktion. Methodisch verankert Behringer seine Arbeit in der Lesestoffforschung und versteht somit Texte populärer Kultur als Träger von »identitätsstiftende[n] Merkmale[n…], die Aussagen für Zeit- oder Kulturräume zulassen« (15).

Auf fast 100 (recht trocken zu lesenden) seiner 260 Seiten langen Arbeit rechtfertigt Behringer die Bearbeitung von Science Fiction (SF) und Utopien als Forschungsbereich, baut ein Gerüst aus verschiedenen gesellschaftlichen Funktionen auf, nach denen Utopien Relevanz für ethnologische Beobachtungen haben, bevor er dann mit vier theoretischen Ansätzen schließt, die beschreiben wie SF-Texte auf das Technikbild der Gesellschaft wirken. Problematisch ist dies vor allem deshalb, weil Behringer einzig aus seiner Disziplin auf SF und Utopie schaut und nur eine sehr begrenzte Zahl und Ausrichtung wissenschaftlicher Diskurse zu diesen Themen rezipiert. So ist sein Verständnis von Utopien etwa begrifflich in den Utopian Studies überholt, geht er doch von einem »Idealbild« (37) aus, das mittels Utopie als »Vorhersagemethode« (40) wie eine Blaupause die Gesellschaft ausrichtet. Dabei ignoriert er den anglo-amerikanischen und an Politikwissenschaft und Soziologie orientierten Diskurs zur Utopie, wie er etwa von Ruth Levitas, Artur Blaim oder Gregory Claeys verhandelt wird, wonach Utopien in komplexen Relationen zu den Bedürfnissen der sie produzierenden Gesellschaften stehen und nicht zwangsweise einen Idealzustand formulieren oder gar universell als »gute Gesellschaft« erkennbar sind.

Ähnlich problematisch ist die Reduktion der SF auf einen »Zukunftsbezug und eine extrovertierte Einstellung, die sich in einer Gestaltungsabsicht der Wirklichkeit« (61) äußere. Auf diese Weise reduziert Behringer die Welten der SF auf einen direkten Bezug zur Realität und entwickelt entsprechend Lesarten, die sich auf konkrete Aussagen über Technologie beziehen, von der Technikfolgenabschätzung über die Sozialkritik bis zur ideologischen Rechtfertigung. In seiner Analyse bevorzugt er dann vor allem die »Technocratic Fiction«, der er die Darstellung »systemerhaltende[r] Ideologien« (97) in Bezug auf Technik nachsagt. Das ist zu stark vereinfacht und lässt maßgeblich Trends der SF seit den 1980er Jahren außer Acht – vom Cyberpunk und dessen technokratisch-dystopischer Weltsicht bis zu den sozial-utopischen Komplexitäten heutiger Young Adult-SF – die beide eben nicht das »Vorherrschende als positiv« (97) betrachten oder unpolitisch sind. Behringers SF-Diskurs ist einseitig bestimmt und ignoriert Entwicklungen sowohl der SF als Genre, als auch der SF-Forschung, stützt er sich doch maßgeblich auf Manfred Nagl und dessen Studien aus den Jahren 1972 und 1981 und Hans-Joachim Alpers 1988 erschienenes Lexikon zur SF. Anglo-amerikanische Diskurse, sei es zur SF oder zur Utopie, oder gar noch spezieller zur Climate Fictionoder dem Anthropozän sucht man in dieser Arbeit vergeblich – und das obwohl es um alternative Energie gehen soll.

Interessant ist Behringers Auswahl an Primärtexten, die sich stark an dem Vorhandensein konkreter Energietechnologien ausrichtet und dabei vom Ende des 19. Jahrhunderts mit Jules Verne und H. G. Wells bis hin zum neuen Jahrtausend mit IRON MAN (2008) und MOON (2009) reicht. Vor allem in Hinsicht auf Romane und Comics bezieht Behringer dabei sehr wohl in der einschlägigen Forschung weniger bekannte Werke mit ein, so umfasst seine Analyse auch Romane wie Paul Gurks Tuzub 37 und Alfred Döblins Berge Meere und Giganten oder eine ganze Bandbreite an Comics von Buck Rogers bis zu Le Rail oder Titanus. Ein Wert der Arbeit liegt also vor allem in der Herausarbeitung energieutopischer Diskurse über eine so lange Zeit und in einem breitgefächerten Feld mit mehr als zwanzig Primärtexten. Doch genau da liegt auch die teils beliebige Schlussfolgerung der Analyse begründet, sind in den entsprechenden Werken die Energiegewinnung und deren Darstellung doch nicht zentrale Motive sondern gehören dem Weltentwurf an. Da aber gerade keine dezidiert literatur- oder kulturwissenschaftliche Analyse vorgenommen wird, bleibt die Erkenntnis oberflächlich. Weder unterzieht Behringer die Texte einem Close Reading oder einer anderen medial-spezifischen Analyse, um textuelle Einbettungen oder die Position der Erzählung gegenüber der Technologie in Romanen und Comics herauszuarbeiten, noch zieht er kulturell-historische Diskurse hinzu, die größere Kontexte erschließen könnten. Bei Comic-Analysen etwa bleiben Stil, Farben, Komposition etc. zumeist außen vor. Literaturanalysen ignorieren größtenteils Erzählpositionen und Fokalisierung. Jede Einzelanalyse ist mit weniger als zehn Seiten abgehandelt, gibt erst einen Entstehungsabriss (über die Autor_innen), dann eine Zusammenfassung der Handlung bevor kurz die Energieutopie vorgestellt wird. Jules Vernes Roman 20.000 Meilen unter dem Meer wird in zwei kurzen Passagen vorgestellt, die weniger als eine Seite des Romans ausmachen und aus Buck Rogers (einer Reihe von mehreren tausend Strips) stammen neun Ausschnitte mit jeweils zwei bis drei Panels. Wie detailliert da die Analyse ausfällt, kann man sich vorstellen.

Insgesamt stellt sich also die Frage, welche Erkenntnis man aus den hier dargestellten Beispielen gewinnen soll, während Behringer sich durch vier Phasen der Energieutopie arbeitet (von der Hochindustrialisierung bis 1905 über die Massenproduktion bis 1945, das Wirtschaftswunder bis 1972 und die Grenzen des Wachstums bis 2012; siehe 251). So besteht die Schlussfolgerung meist darin, dass aktuelle Themen der Zeit sich in den Energieutopien widerspiegeln, also etwa, dass in der Industrialisierung die Elektrizität zentral war, während ab 1945 die Atomkraft diskutiert wurde. Der positive Nutzen zur Erschließung neuer Räume und die Herrschaft über die Technologie stehen Anfang des 20. Jahrhunderts im Vordergrund, während am Ende die Sorge vor Missbrauch und der Zweifel an Nachhaltigkeit stehen. Wie Behringers Arbeit in der Europäischen Ethnologie bewertet wird, kann ich nicht beurteilen, aber da sie ein Thema erschließt, mit dem sich Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaften seit Jahrzehnten auseinandersetzen, sehe ich für diese Disziplinen? keinen außerordentlichen Wert in dem Ansatz. Weder liefert der ethnologische Blick an dieser Stelle eine neue Perspektive, noch ergänzt er bestehende Forschung um unerwartete Einblicke. Zwar ist eine transdisziplinäre Analyse grundsätzlich zu wünschen, doch müsste diese zumindest bestehende Arbeiten und Methoden anerkennen und dazu Stellung nehmen. Ein Blick über die eigene Disziplin hinaus hätte zum Beispiel den weitaus besseren Band Green Planets: Ecology and Science Fiction von Gerry Canavan und Kim Stanley Robinson zu Tage gefördert, der sich zwar nicht ausschließlich mit alternativen Energien beschäftigt, aber als Ecological SF sehr wohl Schnittmengen damit liefert. Und zu guter Letzt hätte Behringers Buch ein vernünftiges Lektorat gutgetan – denn abseits aller inhaltlichen Probleme hätte man deutlich mehr Sorgfalt bei der Erstellung des Manuskripts walten lassen müssen. Die grammatischen und orthografischen Fehler und die zum Teil durch schlechte Auflösung unleserlichen Grafiken wären absolut vermeidbar gewesen.

Green and Clean?
Alternative Energiequellen in Science Fiction und Utopie
Marco Behringer
Baden Baden: Tectum, 2017
279 S., 34,95 Euro (Hardcover)
ISBN 78-3-8288-3929-8


Im Original erschienen in CLOSURE: Kieler eJournal für Comicforschung. “Ethnologischer Grenzgang in Literatur und Comics.” CLOSURE 5 (2018). Hier der Link zum Originalartikel.