Sammelrezension: Reihe „Genre Fiction and Film Companions”
Handbücher des Schreckens
Simon Bacon: The Gothic: A Reader
New York: Peter Lang, 2018, 263 S., ISBN 9781787072688, Euro 35,-
Simon Bacon: Horror: A Companion
New York: Peter Lang, 2019, 277 S., ISBN 9781787079199, Euro 35,-
Simon Bacon: Monsters: A Companion
New York: Peter Lang, 2020, 279 S., ISBN 9781788746649, Euro 35,-
Akademische Handbücher sind ein wachsender Markt für Wissenschaftsverlage und so wundert es kaum, dass immer neue Reihen herausgegeben werden, die sich ein Stück vom lukrativen Kuchen abschneiden möchten. Für den Peter Lang Verlag ist die von Simon Bacon als Serienherausgeber betreute Genre Fiction and Film Companions-Reihe zugleich ein guter Weg, um seinen anglo-amerikanischen Ableger in den Vordergrund zu stellen und gegen das Vanity Press-Image des deutschsprachigen Hauses anzuarbeiten. Die vorliegenden Bände gehen daher auch einen dezidiert anderen Weg als die vielen formell eher rigiden Handbücher und Companions aus bekannten University Presses und öffnen inhaltlich wie auch im Layout neue Horizonte. So besticht die Serie konzeptionell dadurch, dass jeweils ein populäres Genre oder Themengebiet anhand von kurzen Case Studies vorgestellt wird. Die im Vergleich zu anderen Handbüchern kürzeren Kapitel nehmen jeweils einen exemplarischen Text und arbeiten sich mit diesem im Fokus an einem speziellen Motiv des Hauptthemas ab. Das hat den großen Vorteil, dass so einerseits mehr Motive einen Platz im Companion finden, zugleich aber auch das jeweilige Kapitel nicht einfach enzyklopädisch wichtige Werke runterrasseln kann. Das Werk im Mittelpunkt liefert einen Anker für die jeweiligen theoretischen Überlegungen. Und zugleich sind die Kapitel damit gut für den Unterricht an Hochschulen geeignet, da sie geradezu idealtypisch jeweils eine Sitzung mit Primär- und Sekundärtext beliefern.
Die drei vorgestellten Bände, allesamt von Simon Bacon auch als Buch-Herausgeber verantwortet und im Abstand von jeweils einem Jahr erschienen, fokussieren auf Bacons Spezialgebiet der Gothic Studies und liefern umfangreiche Einsichten in Gothic als übergeordnetes Themengebiet, Horror als wichtigen nah-verwandten Bereich und Monster als zentrales Motiv des Gothic/Horrors. Strukturell sind sich die Bände entsprechend ähnlich und bieten jeweils eine von Bacon verfasste Introduction und circa 25 einzelne Essays, die mit jeweils fünf bis sechs Essays zu übergreifenden Motivgruppen geordnet sind. Allen Bänden ist gemein, dass sie wichtige Motive mit zum Teil spannend unerwarteten case studies verbinden, die von einer guten und diversen Auswahl internationaler Expert_innen ihres jeweiligen Gebiets verfasst wurden. Wie in jedem Handbuch, kann man sicher über die Wahl der Abschnitte, einzelne Kapitel oder deren Primärbeispiele streiten, doch insgesamt bieten die Bände hier vielschichtige Auseinandersetzungen mit ihren Themenbereichen.
The Gothic gliedert sich in sechs Abschnitte, die thematisch um Ideologien, American Gothic, International Gothic, Gender und Sexualität, Medien und „Gothic Futures“ kreisen. Einzelne Kapitel finden sich zu erwartbaren Themen wie „Victorian Gothic“, „Southern Gothic“, oder dem „Female Gothic“ (mit Ann Radcliffes The Mysteries of Udolpho [1794] als Fallstudie), doch auch eher überraschenden Studien bietet der Band Raum. So findet sich ein Kapitel zu „Gothic Subcultures“, das sich dem Whitby Gothic Festival widmet und somit in die Fankultur einsteigt. Auch ein Kapitel über „Food Gothic“ zu Cormack McCarthys The Road (2006) scheint auf den ersten Blick ungewöhnlich, liefert aber erstaunliche Einblicke zu Fragen des Abjekten und Unheimlichen in Darstellungen von Nahrungskonsum. Für die Medienwissenschaft spannend sind die medial-orientierten Kapitel zum „Gothic Film“ oder „Gaming and the Gothic“, doch auch an nicht-literarischen Texten verankerte Überlegungen zum „Vampire Gothic“ (am Beispiel des Films Ex Machina (2014) von Alex Garland).
Der Band Horror ist vor allem für die Filmwissenschaft spannend, da ein Großteil der Kapitel sich dezidiert auf filmischen und seriellen Horror bezieht. Leider ist die Struktur des Bandes mit Abschnitten zu theoretischen Ansätzen, medialen Ausformungen, zeitgenössischem, nationalem und transnationalem Horror und dem Einfluss literarischen Horrors auf den Film nicht mehr so klar nachvollziehbar wie noch bei The Gothic, gerade weil die starke Filmorientierung und ein Fokus auf zeitgenössische Texte eigentlich in allen Kategorien zu finden ist. Außer im letzten Abschnitt fehlen aber die Ursprünge und Leistungen des Horrors in der Literatur. Dafür bieten die einzelnen Kapitel eine große Spannbreite: von „Queer Horror and Performative Pleasure“ am Beispiel von American Horror Story (2011–), über „Torture Porn“ (Jigsaw [2017]) und „Eco-Horror“ (Annihilation [2018]), bis zu „Smart Horror“ (Get Out [2017]) oder „Euro Horror“ (Raw [2016]).
Monsters als neuester Band ist inhaltlich enger gefasst als Gothic, aber besser strukturiert als Horror, so dass er insgesamt stimmiger wirkt. Zum einen sind die Abschnitte gut begründet und spannend für das recht neue Feld der Monster Studies: es geht in den Abschnitten um Monster des Privaten und der Gesellschaft, kulturspezifische Monster, die Grenzüberschreitungen des Gender und die Potenziale des Monsters für die Zukunft. Doch auch dieser Band zielt mit einigen Ausnahmen (wie etwa der The Strain Buchreihe [2009–2010] von Guillermo del Toro und Chuck Hogan oder M. R. Careys Roman The Girl with all the Gifts [2014]) vornehmlich auf kinematische und serielle Monster ab. Auch hier sind Motive und Case Studies eher zeitgenössisch gewählt, dafür aber auch zum Teil spannend und unerwartet, wie etwa das Kapitel über Lady Gaga und ihr monströsen Performances verdeutlicht. Andere gute Beispiele sind „Domestic Monsters“ in The Invisible Man (2020), „Aboriginal Monsters“ in der australischen Serie Cleverman (2016–2017), „Queer Monsters“ in Bates Motel (2013-2017), oder „Becoming Monstrous and the Monster Becoming“ in Hannibal (2013–2015).
Abschließend ist noch zu sagen, dass die Bände mit ihren etwa 250 Seiten für 35,- Euro durchaus als erschwinglich zu gelten haben. Mit den bunten und stark stilisierten Covern sind sie zudem Hingucker, was sich auch im Inneren spiegelt. So bieten die Bände allesamt ein frisches Layout, viele Abbildungen (zum Teil sogar in Vollfarbe) und verspielte Designelemente. Die Papier- und Druckqualität ist zwar leider nicht auf höchstem Niveau, was sich bei Typografie und Bildern mit Unschärfen bemerkbar macht, doch insgesamt kann über diese Mängel hinwegsehen werden. Mit der Reihe schafft es Peter Lang jedenfalls, den schon recht bedrängten Markt der Handbücher zu bereichern und auf innovative Weise die Populärkultur für den universitären Raum zu erschließen. Mit Horror, Gothic oder Monsters können Lehrende in den Kultur- oder Medienwissenschaften jedenfalls ihren Unterricht erweitern und sich neue Inspiration holen.
Im Original erschienen in der MEDIENwissenschaft Rezensionen:
Schmeink, Lars. “Sammelrezension: Reihe ‘Genre Fiction and Film Companions’. MEDIENwissenschaft: Rezensionen, 38.1 (2021): 90–92. DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/15819.