Jefferson: McFarland 2018, 247 S., ISBN 9781476664729, USD 39,95

Es gehört zu den eher irritierenden Eigenschaften der Wissenschaften, dass viele Beteiligte zugleich von ihrer eigenen Befähigung überzeugt sind, die Welt erklären zu können und doch meistens mit einem recht eingeschränkten Blick auf eben diese schauen. Der Science-Fiction (SF) Film etwa wird von den meisten Forschenden der Naturwissenschaften mit Vorliebe auf seinen wissenschaftlichen Gehalt in den Blick genommen, um diesen auf seine ,Richtigkeit‘ zu überprüfen. Andere, wie etwa der Autor des vorliegenden Buches, wünschen zumindest ein Wechselspiel aufzumachen zwischen fiktionalem Streben und wissenschaftlicher Realität: Seine Texte, so Mark C. Glassy, seien Beschreibungen „what it would really take to actually create some of the SF film monsters“ (S. 5).

Glassy ist Immunologe und Krebsforscher, ihm gehört eine Biotech-Firma und er unterrichtet per Lehrauftrag an der University of California. Bereits vor zehn Jahren begann der bekennende SF-Fan, offenbar in Ermangelung eines Vorlesungssaals, Essays zu schreiben, die an ein Publikum aus Laien der Biologie gerichtet waren, und diese im Scary Monsters Magazine zu veröffentlichen (S. 5) – dem Mantra folgend: „educate and entertain“ (S.7). Wie auch Glassy selbst ist Scary Monsters von Nostalgie getrieben: ein Spezialheft für Connaisseurs des klassischen Hollywood Monsterfilms mit eher kleiner Auflage. Der vorliegende Band sammelt Glassys Aufsätze der letzten zehn Jahre und erweckt – auch über sein Erscheinen im Programm des auf wissenschaftliche Veröffentlichungen spezialisierten McFarland-Verlags – den Anschein, dass sie eine gewisse (populär-)wissenschaftliche Relevanz besitzen.

Glassy schreibt vornehmlich über das klassische Monsterkino Hollywoods mit Abstechern zu den britischen Hammer-Produktionen. Für die Buchveröffentlichung hat er die Essays nur grob sortiert und neben fünf einzelnen medizinisch-biologischen Themen drei thematische Komplexe identifiziert: den Klassiker Frankenstein (in all seinen filmischen Varianten, diskutiert in fünf Essays), die Physiologie des Menschen (mit vier Texten zu Haaren, Drogen, Hormonen und Mikroben) und das Labor – wobei letztere Gruppe gerade einmal zwei Essays (zum Mikroskop und zur Figur des Van Helsing in Dracula) umfasst. Hier zeigt sich, dass es weniger um Kohäsion oder Systematik geht, als um die Freude an den eher willkürlich ausgewählten Themen.

So bleibt der Band leider auch inhaltlich vage. Beispielsweise bietet das Kapitel zum Mikroskop einerseits einen Abriss der Historie des Geräts selbst, dessen unterschiedliche Typologie und Verwendung in der Wissenschaft, andererseits eine Aufzählung von 13 Filmen, in denen Mikroskope und der Blick in dieselben vorkommen. Zu jedem Film wird kurz erläutert, welches Gerät und welcher Untersuchungsgegenstand zu sehen sind und was die Naturwissenschaft dazu zu sagen hat. Das vor Bakterien schwärmende Blut aus Son of Frankenstein (1939) etwa, so Glassy, sei auf die lange Zeitdauer der Aufnahmen zurückzuführen (vgl. S.18). Diese nette Anekdote zu den Produktionsumständen des Films ist für ihn Grund genug, eine Spekulation anzustellen, wie Bild und Narrativ wissenschaftlich in Einklang gebracht werden könnten (vgl. ebd.). Er geht dabei so weit die Bakterien gar als Grund für die Handlungen des Monsters zu interpretieren (vgl. S.18). Da Glassy sich darüber hinaus aber nicht mit den Inhalten des Films beschäftigt, bleibt der weiterführende Nutzen dieser und manch anderer Passage unklar.

Problematisch ist das insofern, als dass Glassy zwar unterhaltsames Biologie- oder Medizinwissen vermitteln möchte, dieses aber mit Beispielen aus SF-Filmen in Verbindung bringt, die häufig ganz andere Aspekte thematisch in den Vordergrund stellen. Auffallend wird diese Diskrepanz am Beispiel des Films The Matrix (1999). Glassy liefert zwei kurze Absätze zur zentralen Szene zwischen Morpheus und Neo mit den zwei farbigen Pillen: Er argumentiert, die blaue und die rote Pille seien Designerdrogen, „anti-psychotic and LSD-related“ (S.124), nur so ließen sich die starken Halluzinationen erklären, die im Film zu sehen sind. Weitere Erklärungen dazu, oder eine Argumentation, wie das zum Film und dessen Thema einer computergenerierten (nicht pharmazeutisch-veränderten) Realität passt, bleiben aus. Auch die Abschnitte zu den Drogen Spice aus Dune (1984) oder Bacta aus The Empire Strikes Back (1980) beschränken sich auf reine Nacherzählung dessen, wo und wie die Substanzen im Film vorkommen – ganz gleich, dass Spice für die Handlung und die Aussage von Dune zentral ist und Bacta einzig in einer kurzen Szene von Star Wars vorkommt. An den Fragen, welche Bedeutung die dargestellten Drogen für die jeweiligen Filme haben oder welche Bedeutungsübertragung auf die jeweilige zeitgenössische Kultur stattfindet, ist der Autor scheinbar nicht interessiert.

Insofern wundert es vielleicht nicht, dass Glassy erst auf zehn Seiten darstellt, dass die fiktionale Familie Frankenstein gerne in Notizbüchern geschrieben hat und sich dann fragt, wie viele dieser Werke voller relevanter (aber immer noch fiktiver!) Forschungsdaten wohl zerstört wurden. Auch seine Ausführungen über die Kreide-Formeln von verrückten Wissenschaftlern oder regelrechte Exzesse in der Beschreibung von Form, Farbe und Härtegrad von Haaren auf Werwölfen sind nur schwer in Einklang zu bringen mit dem Untertitel des Bandes, der den Anschein erweckt, es ginge um die ‚Life Science Lessons‘ des SF-Kinos. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Essays wunderbar in eine Zeitschrift wie Scary Monsters passen. Nur, warum ein wissenschaftlicher Verlag meint, diese Texte seien für eine Buch-Veröffentlichung geeignet, – das bleibt ein Rätsel.


Im Original erschienen in MEDIENwissenschaft 2 (2019) – Link

“Mark C. Glassy: Biology Run Amok! The Life Science Lessons of Science Fiction Cinema.” MEDIENwissenschaft 2 (2019): 176-78.