Aus sozioökonomischer Sicht gehören die Automatisierung von Arbeitsprozessen und damit im weitesten Sinne verbunden auch die Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI) zu den wichtigsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Kevin Drum vom US-Nachrichtenmagazin Mother Jones etwa spricht von einer Digitalen Revolution, in der automatisierte Prozesse einen Großteil unserer derzeitigen Jobs überflüssig machen und unser Leben vollständig wandeln werden – er warnt: »It’s time to start thinking about our automated future in earnest.«

Dabei haben wir bereits angefangen über die automatisierte Zukunft nachzudenken. Wir verhandeln das Thema seit Karel Čapeks R.U.R. (1920) und Fritz Langs METROPOLIS (DE 1923) in der SF – wobei die Darstellung häufig nicht der realen Entwicklung von KI folgt und auch nicht die komplexen Nuancen des Machbaren auszuloten vermag. Vielmehr, so argumentieren Stephen Cave und Kanta Dihal, repräsentierten Kulturproduktionen von THE TERMINATOR (US 1984, Regie: James Cameron) bis zu TRANSCENDENCE (US 2014, Regie: Wally Pfister) gesellschaftlich betrachtet »fundamental hopes and fears […] portrayed in tones of great optimism or equally great pessimism« (74). Cave und Dihal analysieren eine Reihe von Texten und schlüsseln diese entlang der in ihnen dargestellten Dichotomien auf:

The hope for much longer lives (›immortality‹) and the fear of losing one’s identity (›inhumanity‹); the hope for a life free of work (›ease‹), and the fear of becoming redundant (›obsolescence‹); the hope that AI can fulfil one’s desires (›gratification‹), alongside the fear that humans will become redundant to each other (›alienation‹); and the hope that AI offers power over others (›dominance‹), with the fear that it will turn against us (›uprising‹). (74)

Die Pole, zwischen denen sich Caves und Dihals Darstellung bewegt, gehen dabei nicht von der realen Forschung zur KI aus, sondern stellen eher kreative Perspektiven dar, die theoretische Konzepte posthumanistischen Denkens reflektieren. So verhandelt die SF etwa Positionen des Transhumanismus wie die Möglichkeit, menschliche Begrenzungen durch Cyborgisierung oder den Bewusstseins-Upload in einen artifiziellen Körper aufzuheben. Transhumanistische Denker sehen im technologischen Fortschritt den Weg zur Transzendenz dieser Beschränkungen, zu einer postbiologischen Welt, in der »human thought [can be] freed from bondage to a mortal body« (Moravec 4). Am anderen Ende des Spektrums wiederum finden sich Perspektiven des kritischen Posthumanismus, der Technologie als Teil von hybrider, fragmentierter und vernetzter Subjektivität versteht: »Located within the dialectic of pattern/randomness and grounded in embodied actuality rather than disembodied information, the posthuman offers resources for rethinking the articulation of humans with intelligent machines« (Hayles 286 f.). Im Sinne eines kritischen Posthumanismus sind Technologien Teil eines sich kontinuierlich verändernden Bezugsrahmens des Lebens, in dem Maschinen als nichtmenschliche Akteure zu betrachten sind. Dieses Denken entspricht einem »radical decentring of the traditional sovereign, coherent and autonomous human in order to demonstrate how the human is always already evolving with, constituted by and constitutive of multiple forms of life and machines« (Nayar 2).2 Posthumanismus beschreibt also die Weiterentwicklung des Menschen, sei es im techno-utopischen Denken einer Überwindung seiner Biologie oder im kritisch-reflexiven Neudenken seiner Bezüge zu Umwelt, Technologie, und anderen Lebensformen.

Im Interview mit der ZFF spricht die deutsche SF-Autorin Theresa Hannig davon, wie technische Verbesserungen (Computer, Smartphones etc.) schleichend in unser Verständnis des menschlichen Erfahrungsraums eindringen und zu einem Teil von uns werden. Doch sie spekuliert auch über eine extreme Entwicklung – die Digitalisierung von Bewusstsein –, die uns radikal verändern kann: »Dann würden wir vielleicht irgendwann eine Spezies werden, die nur noch digital lebt, mit künstlicher Intelligenz verschmilzt und etwas vollkommen Neues kreiert« (18). In ihren Romanen Die Optimierer (2017) und Die Unvollkommenen (2019) nutzt Hannig die SF als Experimentierfeld, um die unterschiedlichen Positionen und Möglichkeiten im Umgang mit Posthumanität durchzuspielen.3 Vom schleichenden Prozess der Cyborgisierung bis hin zum techno-utopischen Bewusstseins-Upload präsentieren die Romane posthumanistische Positionen, die ich in diesem Artikel vorstelle und diskutiere.

1 Biologische Menschen

Bereits in Die Optimierer begegnet uns Technologie, die ganz im Sinne des Cyberpunks »visceral« wird, wie Bruce Sterling es formuliert, »pervasive, utterly intimate. Not outside us, but next to us. Under our skin; often, inside our minds« (xiii). Wie schon von den Cyberpunks der ersten Stunde in den 1980er Jahren beschrieben, wird die Welt in Hannings Roman von einer erweiterten Realität dominiert, die mittels Cyborg-Technologie erfahrbar gemacht wird: »Samson blinzelte zweimal und ließ die Augen im Uhrzeigersinn rotieren. Sofort erwachte seine Kommunikationslinse im linken Auge aus dem Standby und legte den halbtransparenten Schleier einer erweiterten Realität über sein Blickfeld« (Opt9). Mit den Linsen, die eine konsequente Fortführung unserer Smartphone-Technologie sind, kann der gesamte Alltag gesteuert werden – sie dienen zur Arbeit (sogar mittels der Steuerung künstlicher Körper), zur Bestellung von Waren und Dienstleistungen, zur Navigation und Kommunikation. Eine augmentierte und automatisierte Welt bietet uns ›Erfüllung‹, wie Cave und Dihal argumentieren, indem sie das »fulfilment of every desire« (76) durch Technologie ermöglichen. Die Linsen, aber auch andere Technologien wie etwa der »Congregator« (Un 328) – eine Kochhilfe, in die Rohprodukte eingelegt werden und die komplette Mahlzeiten produziert – erzeugen Bequemlichkeiten und Freiräume, da sie den Menschen bislang notwendige aber als lästig empfundene Handlungen abnehmen.

An Samson, dem Protagonisten von Die Optimierer, zeigt Hannig allerdings auch auf, welche Konsequenzen diese Cyborgisierung mit sich bringt – wie sehr unsere heutige Welterfahrung also darauf basiert, die transhumanistische Selbstverbesserung zu akzeptieren. Im Roman wird der schleichende Prozess der Erkenntnis, dass die Welt dystopisch geworden ist, durch einen schmerzhaften Prozess der Abstoßung begleitet, der Samson die Nutzung der Kommunikationslinse unmöglich macht: »Ein greller Schmerz fuhr ihm durch das Auge. Er leckte sich schnell über die Finger und zupfte die Linse heraus. Dann verharrte er noch einige Sekunden, bis das Brennen langsam nachließ« (Opt26). Mit der Linse verliert Samson folglich auch den Erfahrungsraum seiner Posthumanität und ist zurückgeworfen auf einen (biologisch) begrenzten Zustand. Ohne Linse kann er keine Daten abrufen, keine Mitteilungen erhalten – noch nicht einmal den Fahrstuhl rufen oder seine eigene Haustür öffnen, da alle manuellen Interaktionsmöglichkeiten entfernt wurden.

Hinzu kommt, dass die Linsen zugleich der staatlichen Überwachung und Kontrolle dienen:

Gleichzeitig wurde alles, was die Linsennutzer sahen und hörten, in den Rechenzentren der Agentur für Lebensberatung gespeichert. So hatte der Nutzer in Echtzeit unbegrenzten Zugriff auf alle Inhalte […] [u]nd die Agentur für Lebensberatung hatte in Echtzeit den vollen Überblick darüber, was das Volk tat. (Opt 27)

Durch die Linsentechnologie verschmelzen die Bürger*innen mit dem technokratischen System zu einer Einheit, deren Auflösung mit dem Verlust von sozialer Beteiligung und politischen Rechten einhergeht.

Im Prozess der Cyborgisierung steckt also zugleich der Weg in den Überwachungskapitalismus, wie er von Shoshana Zuboff beschrieben wird. Laut Zuboff wird aus unserem überwachten und bis in die kleinste Bewegung und Entscheidung analysierten Lebens ein »›Verhaltensüberschuss‹ (behavioral surplus)« generiert, der es ermöglicht »›Vorhersageprodukte‹ (prediction products)« abzuleiten: »Kalkulationen, die ahnen, was wir jetzt, bald oder irgendwann tun« (5). Für Zuboff sind diese Vorhersageprodukte Teil des kapitalistischen Systems, doch Hannig zeigt in ihren Romanen, dass auch ein staatliches System sich des Verhaltensüberschusses bedienen kann, um autokratische Kontrolle auszuüben. So wird deutlich, dass algorithmische Beobachtungen bestimmen, welchen Beitrag man in der Gesellschaft leisten darf: »Der Staat interessiert sich für seine Bürger. Er sorgt sich um ihr Wohl und analysiert alle Fakten, um jedem den für ihn besten Platz in der Gesellschaft zuzuweisen« (Opt 18). Auch Samsons Verhalten wird prädiktiv genutzt – sein langsames Herauslösen aus den Institutionen der Gesellschaft, darunter auch die ›Weigerung‹ eine Kommunikationslinse zu tragen, führt dazu, dass er von der Polizei vorgeladen wird:

Die Strafverfolgungsbehörden führen Statistiken darüber, wann von welchen Personen unter welchen Umständen staatsgefährdende Straftaten verübt werden und was diesen Straftaten vorausgegangen ist. Wenn ein Bürger eine Häufung von Faktoren aufweist, die üblicherweise einer Straftat vorausgehen, dann erhalten wir über ihn eine statistische Warnung. (Opt 207)

In Die Unvollkommenen wird diese Überwachung weiter vorangetrieben. Die Cyborgisierung geht den entscheidenden Schritt, die Technologie nicht auf der (Netz-)Haut zu tragen, sondern diese direkt ins Gehirn zu implantieren – »die vollkommene Integration« mit dem System:

Den Sehnerv- und den Audiochip hatte ich sowieso schon […]. Also habe ich mir auch endlich den Rest inklusive Emóchip einsetzen lassen. […] Mit seiner Hilfe lassen sich Emotionen verstärken oder dämpfen, denn er stimuliert oder unterdrückt die Produktion von Botenstoffen wie Serotonin, Dopamin und noch einiger anderer. (Un 188–89)

Integrierte Menschen übertragen zusätzlich zu ihren Wahrnehmungen auch ihre biologischen Daten, die aber im Umkehrschluss wiederum auch vom System manipuliert werden können. Samson, der im zweiten Roman zu einer KI geworden ist und das Staatssystem religiös-totalitär neu organisiert hat, kann integrierte Menschen nicht nur vollständig überwachen, sondern in ihnen auch körperliche Extremzustände auslösen, von wahnhafter Euphorie bis zu unerträglichen Schmerzen: »Der Schmerz füllte all ihre Gedanken aus, ergriff ihren ganzen Leib, schien ihr Innerstes zu zerreißen« (Un 288). Er nutzt das, um sich zu einem Gott zu stilisieren und einen religiösen Kult zu errichten, in dem er Gläubige in Verzückung und Ehrfurcht versetzt. Für Lila, die Protagonistin des zweiten Romans, die zur Integration gezwungen wurde, ist das Gefühl mit Magie vergleichbar – ganz wunderbar, bis man den »Zaubertrick« erkennt: »Du pfuscht in den Gehirnen der Leute rum, und dann lieben sie dich und glauben, du wärst ihr Gott« (Un 283).

In Hinsicht auf die von Cave und Dihal ausgeführten Dichotomien verweist die Integration also auf eine extreme Form der ›Entfremdung‹ (76) – durch direkte Einflussnahme auf Hormonhaushalte und die quasi-religiöse Verzückung bedürfen die Menschen keinerlei anderer Interaktion mehr. Lila beispielsweise verliert sich ohne es zu merken in einer Schleife euphorischer Erinnerungen: »Und jedes Mal, wenn sie den Film neu startete, zuckte ihr Körper unter wonnigen Schauern aus Glück und Erregung. Immer und immer wieder« (Un 275).

Darüber hinaus gibt es in den Romanen eine Technologie, mit der man die »biologisch gespeicherten Informationen – der Geist, oder das Bewusstsein – […] in einen synthetischen Speicher« überführen kann, welcher entweder ein neuer künstlicher Körper sein kann oder eine »Simulation […] [e]ine künstliche Welt« (Un 128). Der Bewusstseins-Upload in dieses »Reine Land« (Un 128), wie es im Roman genannt wird, ist dann der endgültige Schritt zur transhumanistischen Fantasie einer Unsterblichkeit, den auch Cave und Dihal als eine der größten Hoffnungen für KI-Technologien ausweisen (75). Doch Hannig relativiert die Fantasie, in dem sie auch hier darauf verweist, dass die Technologie – wie die Linsen oder die Integration – nicht unter der Kontrolle des Individuums stehen, sondern vom System, von Samson als benevolentem Herrscher zu eigenen Zwecken gebraucht werden können. Die Verbesserung des Menschen ist also immer mit einem Verlust einhergehend – Komfort wird gegen Freiheit getauscht, die Erfüllung der Sehnsucht nach Unsterblichkeit geht zugleich mit der totalen Aufgabe von Selbstbestimmung einher.

2 Digitale Menschen

Neben ›biologischen Menschen‹, die durch Technologie Posthumanität erlangen, präsentiert Hannig auch digitale Posthumanität – Roboter, die, wie sie im Interview erklärt, durch die Benennung als ›digitale Menschen‹ »automatisch Personenstatus mit allen damit einhergehenden Menschenrechten« (22) erhalten. In ihren Romanen werden entsprechend bestimmte ethische und juristische Fragen ausgeklammert und Roboter als Teil der sozio-politischen Landschaft dargestellt. Roboter haben mit der Liga für Roboterrechte eine Interessensvertretung und sogar eine eigene sozial-verbindende Identität, ausgedrückt durch die »rote Elf« (Un 257), die Roboter als Merkmal ihrer digitalen Natur tragen.

Der entscheidende Konflikt um Macht und Dominanz (vgl. Cave und Dihal 77), der einen großen Anteil in Fiktion um KI und Automatisierung prägt, ist bei Hannig zwar vorhanden, doch weitaus nuancierter positioniert. Das liegt vor allem daran, dass zwei unterschiedliche Varianten digitaler Menschen existieren, wie Hannig im Interview ausführt. Im ersten Roman übernehmen ›Basileus‹ genannte Modelle eine Vielzahl neuer Aufgaben und begegnen den Menschen häufiger im öffentlichen Raum. Bei diesen Begegnungen erkennt Samson die Roboter nicht, die »mittlerweile täuschend echt aussahen«, und fühlt sich »überrumpelt« (Opt 71). Weil die Basilei niemals müde werden, niemals von einer Tätigkeit gelangweilt oder sich dafür zu schade sind, ersetzen sie im beruflichen Raum die Menschen nahezu vollständig.

Insofern repräsentieren sie vornehmlich das Konzept der ›Erleichterung‹, also den Wunsch der Menschen »[of b]eing relieved from the burdens of work« (Cave und Dihal 76). Im Roman ist dies die Basis für eine Neuorientierung des Wirtschaftssystems: »Nur mit Hilfe der Roboter, die den Großteil der einfachen und redundanten Arbeiten erledigen, kann es sich der Staat leisten, nicht nach dem größten Profit, sondern nach dem größtmöglichen Wohl für alle zu streben« (Opt 69). Die Gesellschaft ist auf dieses Optimalwohl für alle ihre Bürger ausgerichtet und die posthumane Technologie der Basilei bietet biologischen Menschen die Freiheit, sich anderen, erwerbsunabhängigen Aufgaben zu widmen. Nur wird damit zugleich auch die Furcht vor ›Überflüssigkeit‹ geschürt – wenn die Arbeit wegfällt, dann ist damit auch »a role in society, status and standing, pride and purpose« (Cave and Dihal 76) in Frage gestellt. Am Beispiel der jungen Martina wird dies deutlich – Samson analysiert ihren Wert für die Gesellschaft und diagnostiziert: »Der Staat braucht dich nicht. Die Wirtschaft braucht dich nicht« (Opt 24). Martina ist überflüssig geworden: »Jeder Roboter kann jede Arbeit besser erfüllen als sie« (Opt 49). Der Konflikt zwischen digitalen und biologischen Menschen wird in Die Optimierer noch vornehmlich über die sozio-ökonomische Dimension ausgetragen, was aber nicht bedeutet, dass nicht auch hier existenzielle Konsequenzen aufgezeigt werden: Martina ist so deprimiert über die Bewertung, dass sie sich umbringt (Opt 155). In Die Unvollkommenen jedoch steigert sich der Konflikt zur Gewalt: frustrierte, aus dem Job gedrängte oder Technologie verweigernde Menschen bekämpfen Roboter, wo es möglich ist, sei es durch individuelle »Verlebung« (Un 41), also die Zerstörung eines digitalen Menschen, oder mittels größerer Terrorattacken (Un 301).

Was die Situation verkompliziert, ist die Tatsache, dass Basilei keine vollständig künstlich erschaffenen Lebensformen sind. Für Basilei werden die »Persönlichkeitsprofile und das Aussehen von echten Menschen« genutzt und so »die vollständigen Erinnerungen« verstorbener Personen übertragen – im Falle des Samson zugeteilten Haushaltsroboters seine Kundin Martina: »[I]ch habe das Gefühl, selbst erlebt zu haben, was sie erlebt hat. Manche Roboterrechtler würden sagen: ich bin Martina Fischer« (Opt 247–48, Hv i. Orig.). Allerdings eine Martina, die sich ihrer Existenz als Basileus bewusst ist und dadurch eine neue Subjektivität erlangt hat. Eine Martina, die über ein Netzwerk mit allen anderen Basilei verbunden ist, der das Wissen des Systems zur Verfügung steht, und die mit den posthumanen Fähigkeiten ausgestattet ist, die ihr als biologischer Mensch eine sinnvolle Existenz verwehrten. Basilei haben somit das Upgrade bekommen, von dem Transhumanisten wie Hans Moravec träumen: sie repräsentieren das menschliche Bewusstsein »rescued from the limitations of a mortal body […] reprogrammed for continual adaptability to be long viable« (5).

Doch auch hier ist Hannig zu versiert, um der technokratischen Fantasie zu verfallen. Im zweiten Roman, der fünf Jahre nach der Einführung der Basilei spielt, sind diese so gut wie verschwunden. Eoin Kophler, einer der Entwickler der Basilei erklärt das Problem mit der Baureihe als in deren menschlichen Charaktereigenschaften begründet:

[E]ine Kreatur wie den Basileus zu erschaffen, der im Prinzip menschlich ist mit Wünschen und Hoffnungen, vor allem mit Leidensfähigkeit – das war ein schwerer Fehler. […] Das menschliche Wesen ist das Problem. Das Leid ist das Problem: Leid aus gekränkter Eitelkeit, Enttäuschungen, Niederlagen – all die schlechten Erfahrungen des vergangenen Lebens. Die Basilei sind im Grunde Menschen, die zu einem ewigen Leben und unendlichem Wissen verdammt sind. Am Anfang ist das wie ein endloser Trip, wie das Paradies, aber wie soll das enden? (Un 146)

Der Roman beschreibt, wie einige Basilei sich selber zerstören, weil ihre menschlichen Charakterprofile »keine adäquate Wirklichkeitswahrnehmung« (Un 134) haben und sie mit der neuen Körperlichkeit und Vernetzung nicht klarkommen. Darüber hinaus aber ist Samson, der zu einem Basileus mit besonders ausgeprägtem Herrschaftssinn geworden ist, nicht willens, Abweichung zu akzeptieren: Er tötet die meisten Basilei, »weil sie nicht den optimalen Zielen entsprechend gedacht haben« (Un 374).

Die menschliche Ambition, der Wunsch nach einem evolutionären Vorteil, ist den Basilei mit ihren Charakterprofilen miteingeschrieben worden. Für N. Katherine Hayles liegt genau hier das Problem eines transhumanistischen Bewusstseins-Uploads – die Annahme, der menschliche Körper (mit all seinen Beschränkungen) sei ein nicht-relevanter und deswegen austauschbarer Bestandteil der menschlichen Erfahrung:

[T]he body itself is a congealed metaphor, a physical structure whose constraints and possibilities have been formed by an evolutionary history intelligent machines do not share. Humans may enter into symbiotic relationships with intelligent machines […] but there is a limit to how seamlessly they can be articulated with machines, because they remain distinctively different from intelligent machines in their embodiments. (372)

Die Basilei legen jedoch nahe, dass Verkörperung (embodiment) ein zentraler Aspekt der menschlichen Erfahrung ist und sich nicht einfach umprogrammieren lässt. Obwohl sie ohne biologische Beschränkungen existieren, sind Basilei leidensfähig und haben Gefühle, wie der Homunkulus, ein autonom lebendes Basileus-Modell, erläutert: »Es wäre nicht schlimm, […] die Maschinen wie Maschinen zu behandeln, wenn sie nicht leiden würden wie die Menschen. […] Es gibt verschiedene Formen von Leid. Ich bin ein Basileus. Ich weiß noch, wie es war, Mensch zu sein« (Un 323).

Doch auch die zweite Variante Roboter, die Custos, sind zu Leid fähig, wie Homunkulus erklärt: »Die Custos wissen das nicht. Sie wissen nur, wie es ist, ein Roboter zu sein. Aber sie können dennoch leiden, denn sie können … fühlen. Auch wenn es anders ist als bei den Menschen, ist es doch nicht weniger wahr« (Un 323). Im Gegensatz zu den Basilei sind Custos eine neue Baureihe von Robotern ohne menschlichen Charakterchip. Allerdings nehmen die Custos ihre Diskrepanz zu den Menschen wahr und leiden darunter. Ihre eigene Identität ist mit der Identität biologischer Menschen verbunden: Sie sehen aus wie Menschen, sind in ihrem Design mit Absicht nicht als Roboter erkennbar, um »die Akzeptanzlücke« (Un 257) zu schließen und für die Menschen die Interaktion zu erleichtern. Dennoch werden sie anders behandelt, wie ein Custos deutlich macht, der Shakespeares berühmten Shylock-Monolog pointiert umformuliert:

Keine Sorge, Frau Richter. Ich bin wirklich ein Roboter. Eine Maschine. […] Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht. Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht. Wenn ihr uns vergiftet, sterben wir nicht. Und wenn ihr uns beleidigt, sollenwir uns nicht rächen. Wir sind euch in allen Dingen ähnlich, aber niemals gleich. (Un 202 f., Hv L.S.)

Besonders wichtig ist hier, dass der Custos sehr wohl Rache als Option einer Reaktion auf Beleidigungen und Ausgrenzung in den Raum stellt, diese aber als Teil einer Direktive aus seinem Handlungsrepertoire nimmt. Er soll sich nicht rächen. Auch ist ihm die eigene Ungleichbehandlung bewusst – seine Identität bestimmt sich also durch ein Bewusstsein, dass er Bürger zweiter Klasse ist. Zwar arbeiten die Custos und sind, etwa als Servicekräfte, in die Gesellschaft integriert, wie ein Custos-Kellner erläutert, doch erhalten sie kein Geld, sondern werden als Teil der vom Staat bereit gestellten Infrastruktur begriffen:

[A]ls Custos habe ich für Geld keine Verwendung. […] [W]enn ich etwas brauche, dann bekomme ich es so schnell wie möglich. Je besser ich funktioniere, desto besser geht es uns allen. Es wäre völlig unsinnig, diese Verbesserungen durch einen zweiten Wirtschaftskreislauf zu verzögern. (Un 256)

Die Unzufriedenheit und das Leid der Custos werden im Roman aber nicht direkt ausgesprochen, sondern vor allem über deren Institutionen transportiert. So tritt die Liga für Roboterrechte für »eine Gleichberechtigung für intelligente, selbstbestimmte Roboter« ein und verteidigt deren »eigene Evolution […,] ihre eigene Geschichte und Kultur« (Un 334). Zu dieser kulturellen Entwicklung gehört auch, dass Roboter sich eine rote Elf als Symbol aneignen, um »Stolz auf ihr digitales Erbe« (Un 256) auszudrücken und damit eine soziale Identität zu generieren. Der Konflikt mit den Menschen ist also keineswegs gelöst, sondern weitet sich vielmehr aus, wie auch die häufiger werdenden Terroranschläge gegen Roboter verdeutlichen.

Die Custos repräsentieren am deutlichsten eine Posthumanität, die jenseits des menschlichen Erfahrungshorizonts liegt, eine »neue Spezies […,] die uns jetzt schon überlegen ist« (Un 354), wie Samsons Mutter Anna es ausdrückt. Eine Spezies, die nicht natürlich sterben kann und damit die Menschen evolutionär ersetzen wird: »Erst übernehmen die Roboter unsere Arbeit, dann die Organisation unseres Staates und am Ende unser Leben. Die Menschen haben sich selbst überflüssig gemacht. In ein-, zweihundert Jahren werden wir einfach verschwinden« (Un 354). Hier kommt eindeutig eine Position zum Ausdruck, die eine gesellschaftliche Angst vor einem ›Aufstand‹ der KI artikuliert, auch wenn der Aufstand der Custos weniger dramatisch und gewalttätig verläuft als das bekannte Beispiel von Skynet aus THE TERMINATOR, »an AI that attempts to eliminate humanity as soon as it becomes self-aware« (Cave und Dihal 77). Am Ende des Romans, konfrontiert mit den unterschiedlichen Gruppierungen und deren Begehrlichkeiten (Ablehnung jeglicher KI, Integration der Menschen mit KI, Gleichberechtigung von Menschen und reiner KI), entscheidet sich Lila, die mit der Herrschaftsgewalt ausgestattet wurde dazu, keine Seite zu bevorzugen und statt dessen für einen Akt der Tabula Rasa – sie löscht alle Daten, Erinnerungen, Beziehungen und setzt alles Leben auf null. Ob und wie die Menschen danach mit Posthumanität umgehen, bleibt also offen.

Der Konflikt der einzelnen posthumanen Positionen ist in den Romanen spürbar, und das gesellschaftliche Wunsch- und Angstdenken durch unterschiedliche Akteure gut ausdifferenziert dargelegt. Hannig beschreibt die voranschreitende und von uns oftmals unbemerkte Cyborgisierung des Menschen, seine immer stärker werdende Vernetzung mit Technologien, die schleichend Posthumanität produzieren. Linsen und Integration bieten wichtige Potenziale für eine Erweiterung menschlicher Fähigkeiten, aber sie produzieren auch Abhängigkeit und Unfreiheit – beide Positionen sind in den Romanen gut zu erkennen. Noch deutlicher ist die Vielseitigkeit der Diskurse in Bezug auf Roboter und deren Status als Personen spürbar – von den aus Menschen charakterlich abgeleiteten Basilei bis zu den als separater Spezies für Gleichberechtigung kämpfenden Custos – die Romane bieten keine einfache Lösung, kein Einnehmen einer klaren Haltung für oder gegen wahre KI, sondern vermitteln vielmehr eine Bandbreite unterschiedlicher Positionen, an denen wir als Leser*innen uns abarbeiten sollen. In einem solchen Spannungsfeld vermag die SF, unserer Gesellschaft einen Handlungsraum aufzuzeigen und damit deutlich zu machen, welche potenziellen Interaktionen mit künstlicher Intelligenz entstehen. Dabei können Autor*innen die ethischen Herausforderungen im Umgang mit posthumanem Leben bereits vor ihrem Eintreten ausloten und uns so helfen, uns besser auf die Entwicklung vorzubereiten, die mitunter auf uns zukommen werden.

Notes

  1. Diese Arbeit ist im Rahmen des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts »FutureWork: Arbeit im Übergang zum 22. Jahrhundert« entstanden (Förderangabe: 02L18A510/02L18A511).
  2. Im Rahmen dieses Textes ist eine historische wie philosophische Aufschlüsselung der Konzepte des Trans- und Posthumanismus nicht zu leisten. Für eine erste Übersicht, siehe Schmeink 39–46; Für ausführliche Abhandlungen, siehe Hayles; Braidotti; Nayar.
  3. Im Folgenden sind die Romane in Kurzform zitiert: Die Optimierer als Opt und Die Unvollkommenen als Un.

Zitierte Werke

Braidotti, Rosi. The Posthuman. Polity, 2013.

Čapek, Karel W.U.R. – Werstands universal Robot. [R.U.R. – Rossum’s Universal Robots]. 1920. Übers. von Otto Pick. Holzinger, 2017.

Cave, Stephen und Kanta Dihal. »Hopes and Fears for Intelligent Machines in Fiction and Reality.« Nature Machine Intelligence, 1 ( 2019): 74–78. DOI: [doi: 10.1038/s42256-019-0020-9].

Drum, Kevin. »Welcome, Robot Overlords. Please Don’t Fire Us?« Mother Jones 5 ( 2013), motherjones.com/media/2013/05/robots-artificial-intelligence-jobs-automation/.

Hannig, Theresa. Die Optimierer. Bastei Lübbe, 2017.

Hannig, Theresa. Die Unvollkommenen. Bastei Lübbe, 2019.

Hayles, N. Katherine. How We Became Posthuman: Virtual Bodies in Cybernetics, Literature, and Informatics. U of Chicago P, 1999. DOI: [doi: 10.7208/chicago/9780226321394.001.0001].

Moravec, Hans. Mind Children: The Future of Robot and Human Intelligence. Harvard UP, 1988.

Nayar, Pramod K. Posthumanism. Polity, 2014.

Schmeink, Lars. Biopunk Dystopias: Genetic Engineering, Society and Science Fiction. Liverpool UP, 2016. DOI: [doi: 10.26530/OAPEN_626391].

Sterling, Bruce. Preface. Mirrorshades: The Cyberpunk Anthology. Ace, 1986. ix–xvi.

Zuboff, Shoshana. »Surveillance Capitalism – Überwachungskapitalismus« Aus Politik und Zeitgeschichte: Zeitschrift der Bundeszentrale für politische Bildung 69.24–26 ( 2019): 4–9.

Ursprünglich erschienen in der Zeitschrift für Fantastikforschung

Schmeink, Lars. “Der optimierte Mensch: Versuch einer posthumanen Taxonomie in Theresa Hannigs Romanen”. Zeitschrift für Fantastikforschung 7.2 (2020): 1–27. doi: 10.16995/zff.1893.