Everything, today, is to some extent the reflection of something else.

William Gibson, Pattern Recognition 

In seiner Kritik des Romans Pattern Recognition (2002) von William Gibson stellt der Science Fiction-Autor und Journalist Paul Di Filippo gleich zu Beginn eine Frage, die auch jetzt, acht Jahre nach dem neuen Millennium, noch Gewicht hat:

Two years into the new millennium, has any of us truly internalized the simple but sobering fact that we are all now living in the 21st century, that forever-distant, quasi-mythological realm to which the majority of science-fictional speculations were once consigned?[1]

Und Filippos lakonische Antwort, „I suspect not“, scheint ebenso immer noch Gültigkeit zu besitzen. Wir ergehen uns in Ignoranz ob des neuen Zeitalters und sehen im 21. Jahrhundert zu leicht die Fortsetzung des 20. Jahr­hunderts. Filippo kommt zu der Erkenntnis, daß William Gibson mit seinen Cyberpunk-Romanen schon immer einen vorausschauend scharfen Blick auf das 21. Jahrhundert geworfen hat und deswegen als Prophet einer möglichen Zukunft gelten kann. Diese Meinung teilen viele seiner Kollegen, unter anderem auch Fredric Jameson, der im Cyberpunk eine Art Realismus der Postmoderne sieht und dort geopolitische Entwicklungen vorweggenommen glaubt:

[S]ignificant are the priorities of global cyberpunk, […the] historically original literary vocation of a mapping of the new geopolitical Imaginary. […C]yberpunk constitutes a kind of laboratory experiment in which the geographical-cultural light spectrum and band-widths of the new system are registered.[2]

Für Jameson realisiert sich im Cyberpunk in unterschiedlichen literarischen Versuchsanordnungen die ganze Bandbreite der sowohl geographischen als auch kulturellen Globalisierung.[3] Doch beide, Jameson und Filippo, kommen zu dem Schluß, daß Gibson mit Pattern Recognition das Genre des Cyberpunk verlassen hat. Ohne seinen Stil dem Genre der Science Fiction (SF) zu entheben, gilt der Roman in der Kritik dennoch als Gibsons erster Nicht-SF-Roman.[4] Denn nicht mehr ein mögliches Panorama der Zukunft des 21. Jahrhunderts ist hier zu finden, sondern vielmehr dessen gerade eben erst be­tre­tene Gegenwart, die uns scheibchenweise, ähnlich einem CT, das Unbegreifliche des Jetzt vorführt: „The book peers so intently at the unthink­able here and now it induces something like infinite vertigo. […] In attempting to freeze-frame our elusive now – or at least shadow its rippling wake – Gibson produces a post-trau­matic CAT scan“.[5] Die Gegenwart, so schreibt Dennis Lim in The Village Voice, ist schwindelerregend und undenkbar geworden. Es scheint, als seien die Veränderungen durch technologischen Fortschritt, globalisierte Weltmärkte und multimediale Informations­systeme zu gewaltig und zu schnell, um vom Einzelnen voll realisiert werden zu können. Wir sind in der Science Fiction-Zukunft angekommen und haben es nicht begriffen. Gibsons Roman trägt in sich das Gefühl dieser neuen Zeit, in der uns die Zukunft schleichend überholt hat und die Fiktion zur Realität geworden ist. Lim spricht vom Trauma des 21. Jahrhunderts und meint damit zugleich das konkrete Trauma 9/11 und seine geopolitischen Folgen, aber auch das ungreifbare Trauma der kontinuierlichen global-medialen und technologischen Veränderbarkeit der Realität. Gibson versucht in Pattern Recognition, mit dieser neuen Zeit Schritt zu halten, indem er ein gedankliches Experiment wagt, indem er in unserer Realität Mustererkennung betreibt; indem er diese Realität des Jetzt zu reflektieren versucht. Im Folgenden werde ich diese Versuche der Mustererkennung aufzeigen und mit möglichen Einflüssen, die auf Gibson wirken konnten, vergleichen. So beschreibt der Roman nicht nur eine neue Form von Kunstschaffung, sondern auch eine neue Form von Autorschaft, die stark mit den medialen und technologischen Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts verbunden ist.

Gibson ist ein aufmerksamer Beobachter dieser Gegebenheiten und neuer kultureller Trends und expliziert diese in Pattern Recognition als Versuch, die Gegenwart anhand ihrer Zukunftsorientierung zu beschreiben. Was, so Gibsons Ausgangsposition, wenn diese neue Zeit, dieser historische Moment sich in unserer Kultur manifestiert? Wie sieht eine Kunst aus, die die historischen Gegebenheiten als Reflektion wiedergibt? Eine Kunst, die den sozialen, medialen und technologischen Anforderungen der globalisierten Welt entspricht und Jamesons „geographical-cultural light spectrum and band-widths“ ausreizt? In Pattern Recognition versucht Gibson, genau diese Art von Kunst zu beschreiben. Auch wenn er sie selbst nicht erschaffen kann, so kann er doch ein Muster vorgeben, das von anderen erkannt und genutzt werden kann. Ein Muster, das bei Künstlern unserer Gegenwart resoniert und dort zu neuen, medialen Formen von Kunst führt. Ein Muster, das auch Henry Jenkins in seinem Buch Convergence Culture (2006) beschrieben hat und das er in Alternate Reality Games (ARGs)[6] verwirklicht sieht. Im ersten Abschnitt dieses Artikels lese ich Pattern Recognition daher als Matrix für eine globale Kunst, eine Kunst, die nicht mehr spezifisch einer regionalen Kultur angehört, sondern vielmehr durch das Internet global transportiert und rezipiert wird. Eine Kunst, die sich in ihrer Struktur der Partizipation öffnet. Und eine Kunst, die neue, global-soziale Funktionen erfüllt, Identität stiftet oder Gemeinschaft bildet. In Pattern Recognition ist es das fiktive Kunstwerk der footage, das diesen Kriterien entspricht und das Muster vorgibt. In dem Nine Inch Nails-Album Year Zero und dem dazu gehörenden ARG mit gleichem Titel sehe ich dieses Muster reflektiert. Im zweiten Abschnitt dieses Artikels werde ich daher das Album und das Spiel dahingehend untersuchen, ob sie die Kriterien erfüllen, die Gibson implizit in dem Roman vorgibt und die von Henry Jenkins in Convergence Culture formuliert wurden. Ich werde daher im Folgenden diese Kriterien aufzeigen, sie anhand der Beispiele explizieren und in einen direkten Bezug zu einander stellen. Ich versuche also in meiner Argumentation, Frederic Jamesons Deklaration zu bestäti­gen, nach der in Pattern Recognition das kunstvoll Neue angelegt ist und nur darauf wartet, expliziert zu werden: „[It] carries the unknown unrealized work of art inside itself like a black hole, the empty present of a future indeterminacy, the absent sublime within the everyday real“.[7] Aber ich verstehe Gibsons Roman nicht als Versuch, dieses Kunstwerk selbst zu verkörpern, sondern vielmehr als Verweis auf eine Spiegelung in der Realität unserer globalisierten, konsumorientierten Welt.

William Gibsons Pattern Recognition

In Pattern Recognition beschreibt William Gibson eine von Konsum durchdrungene, kulturell vereinheitlichte Welt. Er zeichnet das Bild einer dezentralen, urbanen Medien- und Markenkultur, deren Allgegenwart und Einheitlichkeit universell spürbar ist, egal ob in Tokio, in London oder in Moskau. Seine Protagonistin Cayce ist zugleich wesentlich in dieser Welt verankert und von ihr abgestoßen. Ihre Tätigkeit als „coolhunter“ (2) macht es unabdingbar, „that she circulate among the elites of the global informational and affective economy.“[8] Sie muß sich also mit den Marketingexperten, Designern, Filmemachern, Programmierern und Unternehmensberatern der neuen Weltordnung, deren globales System nicht mehr aus Nationalstaaten, sondern aus Saskia Sassens Globalstädten[9] besteht, umgeben. In dieser Welt des Kommerz bezeichnet sich Cayce selbst als „dowser in the world of global marketing“ (2), doch die implizierte Wünschelrute, mit der sie sich auf die Suche nach zukünftigen Trends macht, ist zu­gleich ihre größte Stärke und Schwäche. Cayce reagiert allergisch auf Moden und Marken: „[t]hough the truth […] is closer to allergy, a morbid and sometimes violent reactivity to the semiotics of the marketplace“ (2). Positiv betrachtet vermag Cayce nicht nur Trends aufzuspüren, sondern auch Markenlogos, so genannte brands, auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Sie ist der menschliche Indikator für die Wirksamkeit des globalen Marketings. Ihre Aufgabe besteht in der Suche nach dem verwertbaren Muster im Chaos menschlicher Kulturproduktion: „What I do is pattern recognition. I try to recognize a pattern before anyone else does“ (88). Negativ betrachtet leidet Cayce aber gerade wegen dieser Marken- und Trendsensibilität unter heftigen körperlichen Reaktionen, sobald sie einem Markenzeichen wie etwa dem von Benetton, Ralph Lauren oder Laura Ashley zu nahe kommt. Die Folgen sind Schwindel, Übelkeit und Panikattacken bis hin zum Blackout. Ihre heftigsten Reaktionen jedoch erfolgen bei der Modemarke Tommy Hilfiger:

[D]own here, next to a display of Tommy Hilfiger, it all started to go sideways on her, the trademark thing. Less warning aura than usual. Some people ingest a single peanut and their head swells like a basketball. When it happens to Cayce, it’s her psyche.

Tommy Hilfiger does it every time, though she thought she was safe now. They’d said he’d peaked, in New York. Like Benetton, the name would be around, but the real poison, for her, would have been drawn. It’s something to do with context, here, with not expecting it in London. When it starts, it’s pure reaction, like biting down hard on piece of foil. (17-18)

In Cayce manifestiert sich physisch das kulturell tradierte Dilemma angesichts der fatalen Attraktion, die Marken auf uns ausüben. Der innere Drang nach der Marke zu greifen, obwohl wir rational verarbeitet haben, daß der Inhalt nicht besser oder schlechter sein muß als das No-Logo-Pendant. Unser Kaufimpuls steht also nicht in Zusammenhang mit dem faktischen Inhalt, sondern mit der fiktionalen Botschaft der Marke. Das Objekt wird zum zentralen Fokus unserer Welt, die Ware wird durch den extremen Zusatzwert der Marke mit einem inhaltlichen Aspekt versehen, der nicht am Objekt selbst anhaftet, sondern am Markennamen.[10] Es ist das mit dem Namen verbundene stark mit Werten behaftete Image, das sich verkauft, nicht das Produkt. Die brands, insbesondere die trendorientierten Marken, sind es, die laut Jameson eine paradoxe Dynamik erzeugen, die gleichzeitig „instant obsolescence and the global provenance and neo-exoticism of the world market today in time and space“[11] repräsentieren. Durch die geringe Halbwertszeit von angesagten Marken angetrieben ist das kulturell erzeugte Image nur für begrenzte Zeit zu erhalten, und so müssen wir konstant nach immer neuen solcher In-Marken und den mit ihnen verbundenen Zeitgeist-Werten suchen. Dafür aber können die Käufer dieser Marken sicher sein, daß deren aktuelles Image und der in ihm verkörperte Wert gelesen universell verstanden werden kann. Wer Trendmarken trägt, wird weltweit als Teil der globalstädtischen Kultur erkannt, aber eben nur solange dieser Zusatzwert mit der Marke verbunden ist. Cayce ist die ultimative Verkörperung unserer eigenen Gefangenheit in dieser Welt des Kommerz. Es ist ihr unmöglich, auf Dauer den allgegenwärtigen Reizauslösern zu entgehen, und sie reagiert mit psychischem Streß und körperlichem Exzeß. In Cayce wird der permanente Konsumkreislauf sinnbildlich zur Hochleistung für den Körper.

Auf der einen Seite stellt Gibsons Roman diese von Marken und Kommerz durchzogene Welt als universell und unausweichlich dar, so zum Beispiel in der immer schneller, immer größer werdenden Kluft zwischen Reich und Arm, die sich am gelungensten in der Macht der russischen Oligarchie und der Anpassung des ehemaligen Sowjetreiches an den westlichen Markenkapitalismus widerspiegelt. Gibson portraitiert das russische Erwachen zum Kapitalismus als alles durchdringende Botschaft, die selbst vor den Straßenverkehrsregeln keinen Halt macht: „Those are the cars of important people, of the rich […]. They have purchased a permit allowing ignorance of traffic regulations“ (296).

Auf der anderen Seite bietet er eine vermeintliche Alternative zum egalisierenden Markenkonsum. In Pattern Recognition liefert Gibson ein Zeugnis für die Teilnahme des Einzelnen an kollektiven Prozessen und für die Möglichkeit der individuellen Mitbestimmung. Als Vehikel hierfür wählt er eine sich verändernde Konzeption von Autorschaft und Kunst. Der Roman postuliert ein Kunstverständnis, das voll und ganz im Zeitgeist des Web 2.0 verankert ist, wie er von Tim O’Reilly in seinem einflußreichen Essay „What is Web 2.0?“ dargelegt wird.[12] Kurz gefaßt beschreibt O’Reilly den Paradigmenwechsel, der nach dem Crash der ersten Internet-Generation 2001 erfolgte. Das Netz dient nun, im Zeitalter des Webs 2.0, als Spielplatz der User. Und Firmen wissen dies effektiv für sich zu nutzen. Eine starke Interaktivität der Nutzer tritt an die Stelle der zentralen Kontrolle durch die Firmen. Die Entscheidung der User zur Beteiligung, die Gewinnung ihres kreativen und intellektuellen Potentials, wird hier zum Kriterium für den Erfolg einer Website oder Dienstleistung. O’Reilly nennt dies eine „Architecture of Participation“ und fordert Dezentralisierung, Einbeziehung der Nutzer-Erfahrungen und ein radikales Vertrauen in den Nutzer.[13] Egal ob Myspace, Flickr, YouTube oder Wikipedia: Nur wenn die Firmen bereit sind, den Nutzern Beteiligung an Programmierung, Design und Inhalt zu über­antworten, entsteht eine erfolgreiche Web 2.0-Applikation.

In Pattern Recognition ist es jedoch keine Web-Applikation im eigentlichen Sinne, sondern ein Kunstwerk, das des kreativen und intellektuellen Potentials seiner ‚User’ bedarf. Im Zentrum des Romans steht die footage, eine Ansammlung von kurzen Filmclips, die im weiten Netz des World Wide Web von findigen Nutzern entdeckt wurden. Die footage besteht aus 135 einzelnen Clips, jeder kaum mehr als 20 Sekunden lang. Allen ist jedoch gemein, daß sie ohne Kommentar eines Autors, ohne Indikation einer Reihenfolge und völlig ambivalent bezüglich ihrer Verortung in Zeit und Raum existieren. Ihre Entdeckung im Netz und die Reaktion der Nutzer dieser Kunstform beschreibt Gibson wie folgt:

The forum will be going crazy, the first posts depending on time zones, history of proliferation, where the segment surfaced. It will prove impossible to trace, either uploaded via a temporary e-mail address, often from a borrowed IP, sometimes via a temporary cell phone number, or through some anonymizer. It will have been discovered by footageheads tirelessly scouring the Net, found somewhere where it’s possible to upload a video file and simply leave it there. (21)

Die footage wird von einer kultähnlichen Fangemeinde im Internet seziert, analysiert und gegen die skurrilsten Hypothesen getestet. Gibson beschreibt die Clips als zeitlos und ohne Markierungen: „There is a lack of evidence, an absence of stylistic cues“ (23). Im Forum flammt die Diskussion über mögliche zeitliche oder stilistische Einordnungen immer wieder auf, ohne jemals einen Konsens zu erlangen. Diese Auseinandersetzungen unter den Fans haben die footage zu einem Kult- und Kulturartefakt werden lassen, das sich nur über Interaktion erschließen läßt:

The one hundred and thirty-four previously discovered fragments, having been endlessly collated, broken down, reassembled, by whole armies of the most fanatical investigators, have yielded no period and no particular narrative direction.

Zaprudered into surreal dimensions of purest speculation, ghost-narratives have emerged and taken on shadowy but determined lives of their own […]. (24)

Ohne die Fans wäre das Kunstwerk nur eine arbiträre Aneinanderreihung von Filmclips, doch durch die Diskussion, die aktive Beteiligung und den interpretativen Prozeß der Anordnung gelingt es den Fans, sich vom Konsumdasein zu befreien und die Dualität von Autor und Leser aufzubrechen. Christopher Palmer beschreibt die footage als kollektives Werk, das zwar von einem einzelnen Künstler ausgeht, aber ohne die Beteiligung der Nutzer nicht mit soviel Inhalt resonieren würde:

It is part of the postmodern culture of editing, remixing, sampling. [… The fans] must be as necessary to the work of the art as is the wounded Nora[, the creator of the footage], who is merely at the beginning of a series of widening circles of production, distribution, reception, discussion.[14]

Die footage läßt sich somit als ein ergodisches Kunstwerk bezeichnen, laut Espen Aar­seth also als ein „type of discourse whose signs emerge as a path produced by a non-trivial element of work“.[15] ‚Ergodisch’ wird von Aarseth der Physik entlehnt und bezieht sich auf die ursprünglichen Wortbedeutungen der griechischen Begriffe ergon (Arbeit) und hodos (Pfad).[16] Das von ihm beschriebene Kunstwerk ist für Aarseth dadurch gekennzeichnet, daß es mit einem „information feedback loop“ ausgestattet ist, der die Wichtigkeit des Konsumenten hervorhebt: „[I]t also centers attention on the consumer, or user, of the text, as a more integrated figure than even reader-response theorists would claim“[17]. Die Position des Lesers/Nutzers rückt bei ergodischen Kunstwerken stark in den Vordergrund und verlangt von ihm eine nicht nur auf das Verstehen bezogene Arbeitsleistung. Die Ar­beit des Lesers, der einen Weg beschreitet und dadurch eine Zeichenkette erzeugt, läßt erst den Text in einer seiner endgültigen Form entstehen. Der Leser wird durch einen aktiven Handlungsprozeß, durch Interaktivität, zum Autor der von ihm erarbeiteten Textversion – ohne diesen Prozeß würde der Text nicht lesbar werden. Somit bezieht sich Aarseths Begriff der „ergodic literature“ also auf Texte, die eine ungewöhnliche Interaktivität des Lesers erfordern, um eine von mehreren möglichen lesbaren Version des Textes zu produzieren.[18]

Es läßt sich in Hinsicht auf ergodische Kunstwerke feststellen, daß die Positionen von Leser und Autor bezüglich der Sinnerzeugung zumindest teilweise zusammenfallen. So kommt Michael Wetzel in seiner Analyse zu dem Ergebnis, daß Autorschaft dank der Entwicklung der neuen elektronischen, interaktiven Medien sich zu einem Oxymoron entwickelt hat:

Festzuhalten ist zwar, daß die mit den elektronischen Medien und ihrem expandierenden Möglichkeiten der Erzeugung neuer virtueller Welten subjektive Kreativität wächst, daß diese zugleich aber an vielfältige Instanzen und Faktoren der copy-and-paste-generation zerstreut wird.[19]

Statt den Autor als durch die „werkherrschaftliche Direktive des schöpferischen Subjekts gekennzeichnet“ zu sehen, so Wetzel, müsse man ihn mit einer hybriden Funktion als „bidirektionale Schnittstelle zwischen Wissen und Werk“ sehen, mit „Betonung auf der Bidirektionalität“ der „Doppelfigur von Autor / Leser“.[20]

In Bezug auf Pattern Recognition stellt sich also nun die Frage nach der Bedeutung dieser Beteiligung am Sinngebungs-Prozeß von ergodischen Texten für die Nutzer. Für Cayce und die anderen footageheads besteht die Beschäftigung mit Sinn und Inhalt des Kunstwerkes in der damit verbundenen Zugehörigkeit zum kreativen Prozeß. Dort wo bislang Autorschaft dazu diente, eine ästhetisch-ideologische Identität als Kennzeichen von Individualität oder Originalität zu erschaffen, verwandelt das neue hybride Autorkonstrukt die Beteiligten in ein kreatives Kollektiv. Dieses Kollektiv ist es, das Phillip Wegner als „emergent global form of community“ bezeichnet und das ein Zugehörigkeitsgefühl auf der Basis eines gemeinschaftlich rezipierten und hybrid erschaffenen kulturellen Produktes vermittelt.[21] Diese neuen Gemeinschaften sind also eng mit dem Beteiligungskonzept von Web 2.0 ver­bun­den und liefern ihren Nutzern eine Plattform zum Austausch, zum Kennenlernen und zur Ver­bundenheit mit anderen. Gibsons „Fetish:Footage:Forum“ (4) ist eine extrem stark mit einem gemeinschaftlich erlebten Kulturobjekt verbundene Gemeinschaft, die mehr noch als Gemeinschaften wie Myspace dazu dient, globale, nicht von äußerlichen Faktoren wie Ort und Zeit bestimmte Zugehörigkeit zu vermitteln. Cayce bestätigt diese Sichtweise ein­drück­lich: „It is a way now, approximately of being at home. The forum has become one of the most consistent places of her life, like a familiar café that exists somehow outside of geography and beyond time zones“ (4-5).

Ein ähnliches Konzept beschreibt auch Henry Jenkins, wenn er von virtuellen Gemeinschaften spricht, deren Aufgabe in der kollektiven Beschaffung von Informationen über ein bestimmtes kulturelles Artefakt besteht.[22] Für Jenkins sind diese Gemeinschaften ein Teil der „Convergence Culture“, die einen Trend in der heutigen globalen medialen Kulturproduktion beschreibt:

Convergence: A word that describes technological, industrial, cultural, and social changes in the ways media circulates [sic] within our culture. […] Perhaps most broadly, media convergence refers to a situation in which multiple media systems coexist and where media content flows fluidly across them. Convergence is understood here as an ongoing process or series of intersections between different media systems, not a fixed relationship.[23]

Doch Konvergenz ist nicht nur ein zentraler Aspekt der produzierenden Seite heutiger Kulturschaffung, sondern bezieht sich auch auf die konsumierende Seite: „[C]onvergence represents a cultural shift as consumers are encouraged to seek out new information and make connections among dispersed media content“.[24] Ein modern-mediales Kunstwerk, so Jenkins, for­dere den Konsumenten heraus, sich an der „parti­ci­pa­tory culture“ zu beteiligen. Hierzu forme sich, gefördert durch das Internet, auf globaler Ebe­ne eine „knowledge culture“, deren Aufgabe in der Verbindung Einzelner zu einer Art „collective intelligence“[25] liegt, die das Wissen, aber auch die Problemlösungskompetenzen ihrer Mitglieder zu einer Einheit verbinde. Das „Fetish:­Foot­age:­Forum“ ist eine solche Gemeinschaft, deren kulturelles Artefakt, die footage, der kollektiven Intelligenz bedarf, um zu einem verständlichen Ganzen zusammengesetzt zu werden.

Laut Jenkins und Wegner erschaffen diese Gemeinschaften eine neue Form von Zugehörigkeit, die nicht auf Nation, Religion oder Familie begründet ist: „[T]hese new communities are defined through voluntary, temporary, and tactical affiliations, reaffirmed through common intellectual enterprises and emotional investments“.[26] Zugehörigkeit ist selbst gewählt, frei kündbar und in persönlichem Interesse an der kollektiven kulturellen Arbeit begründet: „Footageheads seem to propagate primarily by word of mouth, or, […] by virtue of random exposure, either to a fragment of video or to a single still frame“ (55). Wer nicht bestimmte Wesenszüge besitzt, z. B. Neugier, ästhetisches Empfinden oder einen Antrieb zur Suche nach dem Muster im Chaos, der wird nicht in die Gemeinschaft aufgenom­men. Durch diese Hermetik bleibt die Gemeinschaft identitätsstiftend, Zugehörigkeit bleibt be­deutsam und identifiziert einen footagehead als „true believer“ (67). Es wundert also nicht, wenn Cayce die Bezeichnung Hobby für ihre Zugehörigkeit zur footage-Fangemeinde vehement zurück­weist: „Cayce has never been a person who had hobbies. Obsessions, yes. Worlds. Places to retreat to“ (97).

Im Handlungsrahmen des Romans ist dieser Rückzugsort aber durch die Konsum- und Marketinggesellschaft bedroht. Werbe-Mogul Hubertus Bigend, Begründer der Agentur Blue Ant, ist auf die footage aufmerksam geworden und sieht in ihr einen genialen Marketing-Coup:

My passion is marketing, advertising, media strategy, and when I first discovered the footage, that is what responded in me. I saw attention focused daily on a product that may not even exist. […] The most brilliant marketing ploy of this very young century. And new. Somehow entirely new. (67)

Seine Sichtweise von Kreativität und Konsum repräsentiert im Roman die neue Weltordnung. Für ihn verschwimmen die Grenzen von Kunst und Kommerz: „Far more creativity, today, goes into the marketing of products than into the products themselves […] In that regard alone, the footage is a work of proven genius“ (69). Für Bigend ist das Kunstwerk footage ein idealer Werbeträger für Trendprodukte, aber anhand des Produktes footage läßt sich ebenso sehr auch eine genial kreative und vor allem erfolgreiche Marketing-Kampagne verdeutlichen, mit deren Hilfe man Aufmerksamkeit und Nachfrage künstlich zu steuern vermag. Jede Kunst benötigt eine Form von Werbung, um Aufmerksamkeit zu generieren, und Werbung wird dank der Kreativität ihrer Macher zu einer neuen Kunstform. In unserer Welt sind diese Grenzen längst verschwommen: Filmemacher wie David Fincher oder Michel Gondry sind Stars des kommerziellen 30-Sekunden-Spots und die Ästhetik von Musikvideos, Werbung und Hollywood-Filmen gleicht sich immer mehr an.

Im Roman ist es Bigends Marketingmaschinerie zu verdanken, daß Cayce sich auf die Suche nach der Erschafferin macht und sich der Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Kommerzialisierung stellen muß. Wenn Sie Erfolg hat, was wird Bigend mit dem Kunstwerk machen? Wird der Einsatz als Marketinginstrument die Kunst überdecken? Was geschieht mit der kollektiven Sinnfindung durch die Fans, wenn eine Marke sich das Kunstwerk einverleibt? Letztendlich gelingt es Cayce tatsächlich, die Erschafferin der footage ausfindig zu machen. Was Cayce jedoch am Ende dieser Suche bleibt, ist die nüchterne Beobachtung, daß die Entscheidung um die Zukunft der footage nicht mehr in ihren Händen ist, sondern längst von der Marketinggesellschaft gefällt wurde. Da sitzen die Repräsentanten der „global informational and affective economy“, gemeinsam am Tisch und diskutieren die Zukunft des Produktes footage. Bigend und der russische Oligarch, dessen Nichte die footage herstellt, bleiben in Cayces Wahrnehmung zurück, im einvernehmlichen Gespräch vertieft, und am Ende des Romans finden sie sich gemeinsam zu einer Pressekonferenz wieder: „[Bigend] was between some Russian zillionaire and your Secretary of the Interior“ (365). Philip Wegner sieht in dieser Runde das Sinnbild unserer neuen Weltordnung, die Repräsentation der globalisierten, kulturellen Vereinheitlichung. Politik, Medienmacht und Kunst verschmelzen in der Realität der transnationalen Globalstädte zu einer Einheit.[27] In Pattern Recognition bleibt es letztendlich offen, was diese Weltordnung mit der footage zu tun gedenkt, aber die Tendenz ist klar ersichtlich. Cayces Worte hallen im Roman nach. Die Erklärung, was mit den Trends geschieht, die sie aufgespürt hat, gilt wohl auch für die footage: „she has no doubt that commodification will soon follow identification“ (10).

Gibson selbst greift diese Worte und die in ihnen liegende Bedrohung des Freiraums Kunst wieder auf, allerdings erst in seinem aktuellsten Roman Spook Country (2007). Der Roman spielt in der gleichen erzählten Welt wie auch Pattern Recognition und dort begegnen wir Hubertus Bigend und der footage wieder. Er erklärt der Protagonistin Hollis, wie Blue Ant zu erfolgreichen Ideen kommt:

„I’ve learned to value anomalous phenomena. Very peculiar things that people do, often secretly, have come to interest me in a certain way. I spend a lot of money, often, trying to under­stand those things. From them, sometimes, emerge Blue Ant’s most successful efforts. Trope Slope, for instance, our viral pitchman platform, was based on pieces of anonymous footage being posted on the Net.“

„You did that? Put that thing in the background of all those old movies? That’s fucking horrible. Pardon my French.“

„It sells shoes.“ He smiled.[28]

Bigends Worte suggerieren eine erfolgreiche Vermarktung der footage, aber es ist Hollis’ Re­ak­tion, die uns das Gefühl vermittelt, das enigmatische Kunstobjekt sei zu einer Ware verkom­men, hätte seinen Reiz und seine Bedeutung verloren. Und somit bestätigt Spook Country die in Pattern Recognition angelegte Vermutung, dass am Ende die Kunst eine Vermarktung nicht überstehen wird.

Am Ende stellt der erfolgreiche Abschluß von Cayces Suche also gleichzeitig auch den Verlust der identitätsstiftenden Gemeinschaft dar. Cayces Zugehörigkeit hat sich durch das ‚Insiderwissen’ gelöst. Sie kann nicht mehr an dem kreativen Prozeß teilnehmen, ist aus dem „feedback loop“ ausgestiegen. Sie hat das Wissen und ihren Beitrag zur kollektiven Intelligenz der Forumsgemeinschaft hinter sich gelassen und kann der Beschäftigung mit dem Kunstwerk keinen Sinn mehr abgewinnen. Was durch ihre Suche nach den Machern der footage jedoch auch zu Tage gefördert wurde, ist Klarheit über den Realitätsbezug der identitätsstiftenden hybriden Autorschaft. Die Gemeinschaft beruft sich auf ein originales Kunstwerk, das es als solches nicht gibt, sie produziert stattdessen immer neue mögliche Versionen eines vermuteten Originals. Hier resoniert der Roman mit Jean Baudrillards Konzept des Simulacrums[29] und verweist somit auf die Künstlichkeit der globalen Welt und ihrer Produkte, insbesondere der durch elektronische Medien erzeugten. Folglich wird Christopher Palmers Analyse der Kunst der footage als Gemeinschaftsprodukt der Fans noch deutlicher, denn ohne die Fans wäre die footage als Kunst überhaupt nicht existent. Bedeutung, Inhalt und ästhetische Qualität werden den ursprünglich von Überwachungskameras aufgenommenen Bildern zwar durch die Künstlerin Nora medial eingeschrieben, bleiben aber wegen einer schweren Kopfverletzung durch sie nicht explizierbar. Erst durch die kritische Auseinandersetzung der Fans, durch deren „nontrivial effort“ und der von ihnen begangenen Pfade entstehen lesbare Texte. Bigends Vermarktungsanspruch reduziert die von den Fans miterzeugte Kunst wieder zu einem Produkt Noras und zerstört somit die Grundlage ihrer gemeinschaftlichen Identität. Die Subkultur wird somit nicht nur von der Konsumwelt entdeckt, sondern durch ihren Einsatz für den Verkauf von Markenschuhen vollends ihrer Identität beraubt. Ähnliches passierte in der Realität schon Jahre zuvor mit subkulturellen Phänomenen wie Punk, Grunge oder auch Techno, die allesamt als subversive Gegenentwicklungen zur Massenkultur begannen und sich bald einer Kooptierung durch eben diese gegenüber sahen: „[C]ommodification will soon follow identification“!

Nine Inch Nails’ Year Zero

Andrew Leonard zitiert in seiner Rezension des Romans die von William Gibson bestän­dig wiederholte Aussage, „science fiction writers write about the present“, und erklärt dann bezüglich Pattern Recognition, daß Gibson in diesem Falle nicht einmal mehr den Anschein einer Zukunfts­vision wahren müsse: „[He] doesn’t have to invent the future, any more, because it’s already here. […] The world, Gibson notes repeatedly during our interview, is weird enough without needing to invent anything“.[30] Der Roman beschreibt im Modus der „contemporary realist novel“[31] eine reale Welt, in der die Grenzen zwischen Kunst und Kommerz verschwim­men. Virtuelle Gemeinschaften ersetzen hier in der globalisierten Medienwelt sinnstiftende Funktionen, die ehemals von Gemeinschaften auf der Grundlage von etwa Religion, Nation und Familie erfüllt wurden. Im Roman ist die Suche nach authentischer Erfahrung kennzeichnend für jede Form von kultureller Auseinandersetzung und bestimmt daher Kunst, Medien und Gesellschaft. Es erscheint mir daher sinnvoll, den Roman und das in ihm beschriebene Bild von Kunst als heuristischen Ansatz zur Analyse aktueller Kulturphänomene zu nutzen, die sich irgendwo im von Gibson beschriebenen Grenzbereich zwischen Marketing und Kunst verorten lassen.

Als eines dieser Kunstwerke kann man das Album Year Zero (2007) der Band Nine Inch Nails (NIN)[32] und das von der Marketingfirma 42Entertainment zu dem Album erschaffene gleichnamige Alternate Reality Game zählen, das zwischen Februar und Mai 2007 gespielt werden konnte. Ann Powers schreibt in der Los Angeles Times über Year Zero, daß es sich hierbei weder um eine Musikveröffent­lichung mit zusätzlichen im Internet zu findenden Extras handelt noch um ein Computerspiel, dessen Soundtrack Trent Reznor, der kreative Kopf der Band, geschrieben habe (wie etwa zum Spiel Quake):

‚Year Zero’ is a total marriage of the pop and gamer aesthetics that unlocks the rusty cages of the music industry and solves some key problems facing rock music as its cultural dominance dissolves into dust. […] At the very least, Trent Reznor is still creating chaotic rock ‘n’ roll. And that’s more than marketing; it’s pioneering art.[33]

Mit dem Album als zentralem kulturellem Artefakt entwickelt das Spiel die vom Album evozierte Welt weiter und schreibt ihr Inhalte ein, die das Album nicht zu transportieren vermag. Reznor hat die Songs aus der Sicht einzelner fiktionaler Stimmen geschrieben, die nur subjektiv gefärbte Erfahrungen der Year Zero-Welt vermitteln, und benötigte daher einen Zusatz, um eine die Songs umgebende Welt zu er­schaffen:

I had a record that would make sense to me but no one else would ever know what it was because there was no narrative. It’s modular, it’s a collection of snapshots. These were glimpses of a place. Maybe with liner notes I could communicate some of it, but how do you get liner notes in 2007?[34]

Statt „liner notes“ zu verwenden, hat sich Reznor an die Marketingspezialisten von 42Enter­tainment gewendet und mit ihrer Hilfe ein ARG entwickelt, das NIN-Fans in die Welt von Year Zero eintauchen läßt. Diese Welt läßt sich in etwa wie folgt charakterisieren: Year Zero spielt im Jahre 2022, in einer Zeit, in der Bürgerrechte nur noch hohle Phrasen sind, die Bevölkerung eingeschüchtert ist und die USA ein christlich-fundamentalistischer Polizeistaat sind. Darüberhinaus führt der Staat sich weltweit als Anti-Terror-Polizei auf und geht rigoros gegen jegliche Form freien Denkens vor, immer mit der Begründung der Sicherung der Nation gegen unpatriotisches und freiheitsfeindliches Gedankengut. Furcht und Mißtrauen als Basis des menschlichen Miteinanders versetzen die Bevölkerung in Starre und dominieren somit die Gesellschaft dieser Zukunft. Year Zero ist eine Dystopie Orwellschen Formats, deren inhaltliche Analyse, wenn sie auch sicherlich lohnenswert wäre, an dieser Stelle nicht erbracht werden kann. In Bezug auf die oben explizierte Lesart von Pattern Recognition jedoch fällt auf, daß Year Zero funktionell der footage sehr ähnlich ist, dabei aber sogar noch einen Schritt weiter geht, wie auf der Internetseite von 42Entertainment seit Abschluß des Spieles in Form einer werbewirksamen Zusammenfassung zu hören ist:

Trent Reznor’s concept album Year Zero. A vision of a dark future of endless holy war and environmental collapse. But, what if you could do more than just listen to this grim vision? What if you could live in it, experience it? What if Year Zero was now?[35]

Year Zero ist nicht wie die footage ein aus einem Medium bestehendes ergodisches Kunst­werk, das eine virtuelle Gemeinschaft braucht, um Inhalt und Verständnis, um eine lesbare Textversion, zu erzeugen. Es geht darüber hinaus, auf der einen Seite durch die unterschiedlichen verwendeten Medien, aber auch durch den Bruch mit der Realität. Das Kunstwerk tritt aus der virtuellen Ebene heraus und ermöglicht eine Interaktion mit der erschaffenen Welt in der Realität, wie ich nun im Folgenden erläutern werde.

Für Henry Jenkins schließt die „convergence culture“ die Verwendung unterschiedlicher Medien wesentlich ein. Daher erscheint mir zur Beschreibung des kulturellen Artfaktes Year Zero Jenkins’ Konzept des transmedialen Erzählens als äußerst hilfreich.[36] Er bezeichnet „transmedia storytelling“ als eine Erzählform, die multiple Medienplattformen nutzt, um eine Geschichte zu erzählen. Dabei lieferten die einzelnen Medien eigenständige und wertvolle Beiträge zum Gesamtkonzept, so daß die Erzählungen synergetisch auf einander aufbauten und sich so zu einem Ganzen ergänzten. Die einzelnen Stücke ergäben dabei erst in Kombination eine relativ vollständige Erzählung. Darüber hinaus seien transmediale Erzählungen, laut Jenkins, durch folgende weitere Merkmale gekennzeichnet: (1) Ein vollständiges Erfassen der Welt sei meist nicht alleine möglich, kollektive Arbeit sei nötig; (2) Autorschaft sei, wie bereits zum ergodischen Kunstwerk der footage erklärt, hybrid oder kollektiv zu verstehen; und (3) die transmediale Erzählung habe eine welterschaffende Qualität, die einzelnen Beiträge ergäben nicht eine handlungsorientierte Erzählung, sondern böten eine große Menge enzyklo­pädisch angelegter Wissensabschnitte, die dadurch eine vollständige, fiktionale Welt zugänglich machten. Im Falle von Year Zero bietet das ARG den Fans die Möglichkeit, in Form eines Puzzles oder einer virtuellen Schnitzeljagd Bruchstücke und Teile des Year Zero-Universums zu sammeln und somit zu einem Gesamtnarrativ zusammenzufügen. Parallelen zur footage, die ebenfalls einer Schnitzeljagd ähnlich in ihren Bestandteilen im Netz gefunden werden mußte, sind hier nicht zu übersehen. Doch Year Zero geht dank der Verwendung unterschiedlicher Medien wiederum einen Schritt weiter. Insbesondere der zeitlich stark eingegrenzte Ablauf des Spiels erfordert eine Kooperation der Spieler. Hinzu kommt, daß ARGs oftmals die Trennung von erzählter Welt und realer Welt aufzubrechen versuchen: „What if you could live in it, experience it?“ ARGs erschaffen nicht etwa hermetische, vorbestimmte Fiktionen, sondern durch ihre Beschaffenheit als offene und ständig in Fluktuation befindliche Konstrukte, eben gerade die Möglichkeit einer (er-)lebbaren Teilnahme und einen Einbruch in die Realität.

Das Album wurde am 13. April 2007 veröffentlicht; das ARG begann jedoch bereits am 10. Februar 2007, als Fans auf einem Konzert der Band in den Tourdaten des zur Tour gehörenden T-Shirts einige hervorgehobene Buchstaben erkannten. Zusammengesetzt ergaben diese eine Internet-Adresse, die zur Seite iamtryingtobelieve.com führte. Die speziell für das Spiel entwickelte Optik aller spielimmanenten Seiten sorgte im weiteren Verlauf zu einen maßgeblich Anteil für die Wiedererkennbarkeit der Year Zero-Seiten. Alle Seiten des Spiels haben eine starke optische Zerstückelung, quasi einen Bruch in der digitalen Übermittlung der Daten gemein. Eine Entschlüsselung, ein Entziffern oder Zusammensetzen der Inhalte (zum Beispiel durch copy&paste-Verfahren in einen Texteditor) mußte der Leser selbst vornehmen, die Hinweise auf weitere Puzzlestücke selbst entdecken.

Auf einer anderen Seite, anotherversionofthetruth.com, bedurfte es der Manipulation mit Hilfe des Mouse-Cursors, um eine zweite Ebene freizuschalten, die dann den Weg zu einer Zeitleiste der Ereignisse der Year Zero-Dystopie eröffnete. Vom Spieler erforderte das ARG einen ergodischen, interaktiven Prozeß des Lesens, der über das bloße Verstehen von Textinhalten hinausging. 42Entertainment beschreibt dies wie folgt:

On February 10th 2007 a trapdoor to the future opened. People stumbled into it, without even knowing. Discovering a message hidden in a t-shirt, or finding a flash drive with some very strange files. Curiosity led them deeper and deeper into exploring web­sites, deciphering spectrograms, puzzles and mysteries.[37]

Der ungewöhnliche Arbeitsprozeß des Spielers steht hierbei eindeutig im Vordergrund. Ohne das Zusammenspiel von Machern und Spielern, die gemeinsam Spielelemente durch­arbeiten, würde sich das fiktionale Konstrukt des Spiels nicht entfalten.[38] Wichtig ist dabei zu bemer­ken, daß im Gegensatz zur footage das Kunstwerk bzw. Spiel hier sowohl im virtuellen Raum als auch in der ontologischen Realität seine Elemente verstreut. So gehören zur Spielwelt unter anderem reale Handys, die an Fans verschickt wurden, Flashdrives, die auf der Toilette von Konzerthallen hinterlassen wurden, ebenso wie ein Straßenkunstwerk in Los Angeles und Anrufe, die Fans dazu aufforderten, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer bestimmten Straßenecke zu stehen, wo dann aus einem Van heraus Eintrittskarten zu einem später stattfindenden Konzert verteilt wurden.

Die Verzahnung von virtuellen Spuren auf dreißig verschiedenen Websites und realen Hinweisen förderten ein so fein gewebtes Netz aus Texten, Videodaten, Bildern, Telefonnummern, Foren und geheimen Botschaften zutage, daß man Wochen mit der Analyse verbringen könnte, was sicherlich in der Absicht der Macher ist. Darüberhinaus entspricht diese enorme Datenmenge aber auch den von Jenkins genannten Elementen des transmedialen Erzählens. Zum einen ist die Menge der Daten und Puzzlestücke von einer Person alleine nicht mehr zu erfassen und erfordert kollektive Leistung, zum anderen können die von den Fans produzierten Seiten (Foren, Wikis etc.) durchaus als vom Spiel antizipierter Teil des fiktionalen Konstruktes verstanden werden. Letztlich geht es bei der Erschaffung des Spiels nicht um eine klare, stringente Narration, sondern vielmehr um ein enzyklopädisch zusammengetragenes ‚Weltwissen’. Das gemeinschaftliche Narrativ, das durch Year Zero entsteht, ist also nicht eine einzelne Geschichte, sondern eine mehr oder weniger vollständige fiktive Zeitlinie, die die sozio-politische Entwicklung der USA von 2007 bis 2022 aufzeigt.

Als besonders wichtiges Element des ARG kann die bereits erwähnte Metalepse gezählt werden, die ein vorübergehendes Zusammenbrechen der Ebenen von Fiktion und Realität zum zentralen Moment des Spiels macht. Der Ausspruch „This is not a game“, der erstmals für das Spiel The Beast verwendet wurde, ist hierfür synonym geworden.[39] Im Falle von Year Zero war das Spiel so konzipiert, daß einige Fans der Brotkrumenspur einige Tage nach Veröffentlichung des Albums bis zu einem geheimen Konzert folgen konnten. Auf diesem Konzert kam es dann zum Höhepunkt des Einbruchs der Fiktion in die Realität, als nach nur sechs Songs der Band ein Polizei-Team mit Maschinenpistolen den Raum stürmte und die erschreckten Fans unter ‚Beschuß’ nahm. Der inszenierte Höhepunkt des ARG hatte für Jenkins’ und Wegners virtuelle Gemeinschaften einen enormen Wert. Wer am Event teilgenommen hatte, der sah sich selbst in den eingeweihten Kreis der Nine Inch Nails-Fans befördert, die gemeinsam erlebte ‚Razzia’ wurde zum Initiationsritus einer verschwörerischen Gemeinschaft. Aber auch allen anderen Spielern bot Year Zero eine Gelegenheit zur Gemeinschaftsbildung durch die Teilnahme am Spiel und das kommunale Entdecken der fiktionalen Welt.

In Year Zero lese ich daher eine Umsetzung, wenn nicht sogar Weiterentwicklung, des von Gibson beschriebenen Phänomens der footage. Ohne die Nutzbarmachung des kreativen Potentials der Fans durch den Feedback-Loop des Spieles wäre das Album nur ein relativ hermetisches und schwer zu entzifferndes Konzeptalbum. Texte und Musik, die zwar in kurzen subjektiven Ausschnitten ein dystopisches Bild zeichnen, stünden ohne jegliche Erklärung da und wären für den Großteil der Fans inhaltlich nicht zu entschlüsseln, wie Reznor ja selber formuliert hat. Aber die ausführliche Beschäftigung mit dem ergodischen Werk der Webseiten und die vom Fan verrichtete Arbeit daran, die von dem Spiel zusätzlich geschaffenen Inhalte verleihen dem Kunstwerk zusätzliche Bedeutungsebenen. Insbesondere die Auseinandersetzung der Fans mit der Botschaft des Kunstwerkes und die analytischen Diskussionen im Netz, etwa auf NinWiki.com, erinnern stark an das von Gibson beschriebene „Fetish:­Footage:­Forum“.

Doch über die Erkenntnisarbeit des Spieles hinaus bietet Year Zero, ebenso wie die footage, weitere Möglichkeiten zur aktiven Teilnahme am kreativen Prozeß, die einen Rückbezug der fiktiven Zukunft auf die reale Gegenwart zulassen. Fredric Jameson schreibt in seinem Essay „Progress Versus Utopia“ über die zeitliche Struktur von Science Fiction, daß diese nicht existiere, um uns Bilder der Zukunft zu vermitteln, „but rather to defamiliarize and restructure our experience of our own present[40]. Und eben diese Neustrukturierung unserer Erfahrung der Gegenwart ist es, die auch Year Zero zugrunde liegt – und zwar außergewöhnlich explizit durch die Internet-Seite OpenSourceResistance.net, die dem fiktionalen Rahmen des Spiels entzogen ist. Erkennbar an der digital einwandfreien Optik dient die Seite der aktiven und direkten Beteiligung der Leser an der Autorschaft des Year Zero-Universums (im Gegensatz zur metakommunikativen und interpretativen Autorschaft durch Wikis und Foren). Fans können hier, als Mitglieder des ‚Widerstandes’, gegen die mögliche Zukunft des Year Zero anschreiben. Ihre eigenen Beiträge werden dann mit Hilfe der Website veröffentlicht und gehen somit in den Kontext des Spiels ein.[41] Die Macher des Spiels werben sogar mit der Beteiligung der Spieler an einer Gemeinschaft, deren Handeln Konsequenzen weit über die fiktionale Welt hinaus hat:

Making a choice: to join the fight and not remain apathetic in a troubled world. This resistance movement gained momentum, over three and a half million took part. The music was the core of Year Zero. […] Songs painting a picture of our world at the breaking point: Politically, spiritually and ecologically. The songs were weapons of the resistance. Nine Inch Nails and fans across the world together fighting against this dark future. That was Year Zero.[42]

In einem letzten Schritt, der hier schon angedeutet ist, geht diese Beteiligung über die Ebene des Schreibens noch hinaus. Das Konzept von hybrider Autorschaft wurde von Reznor auch und vor allem auf die Musik von NIN angewendet. Und auch hier mag Gibson einen Trend erkannt haben, als er in Pattern Recognition Hubertus Bigend eine Form von musikalischer Kreativität beschreiben lässt, die ein kollektives Verständnis von Autorschaft impliziert:

Musicians, today, if they’re clever, put new compositions out on the web, like pies set to cool on a window ledge, and wait for other people to anonymously rework them. Ten will be all wrong, but the eleventh may be genius. And free. It’s as though the creative process is no longer contained within an individual skull, if indeed it ever was. Everything, today, is to some extent the reflection of something else. (70)

Trent Reznor hat mit Year Zero genau dies getan und ihrem Y34RZ3R0R3M1X3D betitelten Remix-Album eine DVD mit den Multitracks der Songs beigelegt.[43] Eine Einladung an die Fans, die Songs nach Belieben zu bearbeiten und eigene kreative Arbeit zu investieren, ganz dem Bild des Kuchens auf der Fensterbank entsprechend. In den einschlägigen Foren wie etwa NinRemixes.com oder auch YouTube.com finden sich daher zahlreiche neue Versionen der Songs, allesamt Teil des kreativen Rahmens von Year Zero.

Und schließlich bietet Year Zero, speziell durch die OpenSourceResistance im Jahre 2007 ebenso wie das „Fetish:Footage:Forum“ eine vermeintlich identitätsstiftende Gemeinschaft, durch die man Zugehörigkeit zu einer Subkultur erlangt. Doch genau hier wird dann wieder, wie im Roman, die Künstlichkeit der Identität und die Kooptierung durch den Mainstream offensichtlich. Denn das Spiel Year Zero ist ein eben auch ein Marketinginstrument, das dem Verkauf des Albums Year Zero dient. Es ist geschaffen von 42Entertainment, einer Firma, die nach eigenen Aussagen die Welt als ihre Leinwand sieht, auf der sie ihre Werbung aufmalt.[44] Wie es Bigend in Pattern Recognition formuliert hat, besteht in der Werbung womöglich mehr Kreativität als in dem Produkt, das sie bewirbt. Die Grenzen zwischen Kommerz und Kunst sind hier ebenso verschwommen wie die Grenzen zwischen Autor und Spieler. In ihrer extremsten Interpretation ist eine Zugehörigkeit zur OpenSourceResistance letztendlich nur Beweis dafür, daß es der medialen Konsumgesellschaft gelungen ist, die kreativen Prozesse der Kunst so nahtlos zu assimilieren, daß Widerstand tatsächlich zwecklos ist.

Es hat sich also gezeigt, daß Gibsons Roman ein neuartiges Kunstverständnis expliziert. Eines, das sowohl in Bezug auf eine neue Form von Autorschaft als auch in Bezug auf die Verwischung der Grenzen von Kommerz und Kunst, aber auch und vor allem auf die Erschaffung virtueller Gemeinschaften eine Reflektion realer Kunstwerke, wie etwa NINs Year Zero, darstellt. Somit ist es Gibson gelungen, einen Blick in unsere globalisierte Gegenwart zu werfen, der Kunst, Kommerz und Autorschaft in neuem Licht dastehen läßt. Es ist nicht Gibsons Ziel, mit dem Roman selbst ein solches neuartiges Kunstwerk, wie vielleicht die footage zu schaffen. Vielmehr geht es ihm um die Erkenntnis eines Musters in den Entwicklungen der Gegenwart. Da aber in allem eine Reflektion von etwas anderem steckt, wie Hubertus Bigend es so passend im Roman formuliert, steht auch Gibsons Roman nicht außerhalb dieses Prozesses. Mit Year Zero und wohl auch anderen, ähnlichen Kunstwerken finden wir heute, in unserer „convergence culture“, diese Muster realisiert. Und somit bestätigt sich Gibson, wie schon zu seinen Cyberpunk-Tagen, auch mit Pattern Recognition als Prophet des 21. Jahrhunderts.

 

Bibliographie

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[1]      Paul Di Filippo, „Prophets and Losses“, Washington Post 02.02.2003: BW04.

[2]      Fredric Jameson, „Fear and Loathing in Globalization“, New Left Review 23.5 (2003): 105-14, hier: 107.

[3]      Vgl. Jameson, „Fear and Loathing“ 106-7. Jameson benennt hier am Beispiel von Bruce Sterling’s A Good Old-Fashioned Future Cyberpunk als literarische Repräsentation einer postmodernen vereinheitlichten Welt (in geographischer sowie kultureller Hinsicht), die ihren Bewohnern als entfremdet und dissonant vorkommt, egal ob in England, Finnland, Indien oder den USA.

[4]      Vgl. Di Filippo: „Gibson’s not-quite-sf but not-exactly-not-sf thriller“.

[5]      Dennis Lim, „How Soon Is Now? William Gibson’s Present Tense“, The Village Voice 11.02.2003: Online, 22.12.2008 <http://www.villagevoice.com/2003-02-11/books/how-soon-is-now/1>.

[6]      Ein Alternate Reality Game (ARG) bezeichnet eine neue Form von zeitlich begrenztem, interaktivem Spiel, das von einer der führenden Internet-Communities, die zu dieser Spielform entstanden sind, wie folgt beschrieben wird: „A cross-media genre of interactive fiction using multiple delivery and communications media, including television, radio, newpapers [sic], Internet, email, SMS, telephone, voice­mail, and postal service. Gaming is typically comprised of a secret group of Puppet­Masters who author, manipulate, and otherwise control the storyline, related scenarios, and puzzles and a public group of players, the collective detective that attempts to solve the puzzles and thereby win the furtherance of the story“. Alternative Bezeichnungen in diversen Internetforen dazu wären auch immersive fiction, chaotic fiction oder beasting (nach dem ersten erfolgreichen Spiel The Beast benannt). Da mir derzeit noch keine akademisch verwertbare Definition von ARGs bekannt ist, halte ich mich an die hier genannte Definition und verweise auf die Notwendigkeit weiterer Forschung in diesem Gebiet. (Unfiction Inc. „Alternate Reality Games“: 12.08.2008 <http://www.unfiction.com/glossary/>.)

[7]      Jameson, „Fear and Loathing“ 110.

[8]      Phillip Wegner, „Recognizing the Patterns“, New Literary History 38.1 (2007): 183-200, hier: 189.

[9]         Vgl. Saskia Sassen, Metropolen des Weltmarkts: die neue Rolle der Global Cities (Frankfurt/Main: Campus, 1997).

[10]    Vgl. Jameson, „Fear and Loathing in Globalization“ 105.

[11]    Jameson, „Fear and Loathing in Globalization“ 108.

[12]    Tim O’Reilly, „What is Web 2.0?“, O’Reilly Media 30.09.2005: 22.12.2008 <http://www.oreilly.de/­artikel/­web20.­html>.

[13]    Vgl. O’Reilly.

[14]    Christopher Palmer. „Pattern Recognition: ‚None of what we do here is ever really private’“, Science Fiction Studies 33.3 (2006): 473-82, hier: 479.

[15]    Espen Aarseth. „Aporia and Epiphany in Doom and The Speaking Clock: The Temporality of Ergodic Art“, Cyberspace Textuality: Computer Technology and Literary Theory, hg. Marie-Laure Ryan. (Bloomington: Indiana UP, 1999): 31-41, hier 32.

[16]    Vgl. Espen Aarseth. Cybertext: Perspectives on Ergodic Literature (Baltimore: Johns Hopkins UP, 1997) 1.

[17]    Aarseth, Cybertext 1.

[18]     Ein Beispiel hierfür im klassischen Sinne eines literarischen Textes ist das I-Ching, bei dem der Leser zuvor mit Hilfe von drei Münzen eine Kombination von Symbolen erarbeitet, die dann Aufschluß über den eigentlich zu lesenden Textkorpus geben. In modernem Sinne entsprechen aber auch Hypertexte oder Computerspiele der ergodischen Textform, da sie aktive Handlungsentscheidungen des Lesers erfordern, um einen kohärenten Zeichenstrang zu produzieren, der dann als Textkorpus gelesen werden kann.

[19]    Michael Wetzel, „Der Autor zwischen Hyperlinks und Copyrights“, Autorschaft – Positionen und Revisionen, hg. Dieter Detering (Stuttgart: Metzler, 2002) 278-90, hier: 289.

[20]   Wetzel 290.

[21]    Wegner 190.

[22]    Henry Jenkins, Convergence Culture – Where Old and New Media Collide (New York: New York UP, 2006) 27-8

[23]     Jenkins 282.

[24]     Jenkins 3.

[25]     Jenkins 281: „Collective intelligence: […] the ability of virtual communities to leverage the knowledge and expertise of their members, often through large-scale collaboration and deliberation.“

[26]    Jenkins 27.

[27]    Vgl. Wegner 189.

[28]    William Gibson, Spook Country (New York: Putnam, 2007) 105-6.

[29]    Jean Baudrillard. Simulacra and Simulation. Trans. Sheila Faria Glaser. (Ann Arbor: U of Michigan P, 2007 [1994]).

[30]    Andrew Leonard, „Nodal Point“, Salon 13.02.2003: Online 22.11.2007 <http://dir.salon.com/­story/tech/books­/2003/02/13/gibson/index.html>.

[31]    Wegner 186.

[32]    Nine Inch Nails, Year Zero Nothing Records / Interscope: 2007.

[33]    Ann Powers, Ann, „Nine Inch Nails: Reset to ‘Year Zero’“ Los Angeles Times 17.04.2007, E1.

[34]    Trent Reznor im Interview mit Geoff Boucher. „Trent Reznor’s ‘Year Zero’ may be an HBO Series“ Los Angeles Times Online Blogs: Hero Complex. 05.08.2008: 12.08.2008 <http://latimesblogs.latimes.com/­herocomplex/­2008/08/trent-reznor.html>

[35]    Abschrift eines Audio ohne Textdarstellung: 42Entertainment, „Year Zero Case Study“: Online 12.08.2008 <http://www.42entertainment.com/yearzero/>

[36]    Jenkins 93-130.

[37]    42Entertainment.

[38]    Vgl. Unfiction Inc., „Undefining ARG“, Unfiction.com 10.11.2006: 12.08.2008 <http://www.unfiction.com­/­compendium/­2006/­11/10/undefining-arg/>.

[39]    Vgl. Unfiction Inc., Unfiction.com: 12.08.2008 < http://www.unfiction.com­/>.

[40]    Fredric Jameson, „Progress Versus Utopia, or; Can We Imagine the Future?“, Archaeologies of the Future – The Desire Called Utopia and Other Science Fictions (London: Verso, 2005) 281-95, hier: 286 (Kursivierung im Original).

[41]   Eine Moderation der Beiträge (auf Vulgarität, unangemessene Inhalte etc.) ist hier wahrscheinlich, aber nicht relevant für den Charakter des Forums. Wer sich innerhalb der vom Forum vorgegebenen Normen beteiligt, dessen Beitrag wird zum Teil der Spielwelt.

[42]    42Entertainment.

[43]    Nine Inch Nails, Y34RZ3R0R3M1X3D Nothing Records / Interscope: 2007.

[44] Vgl. 42Entertainment

 


 

Die vollständige bibliografische Angabe lautet:

Schmeink, Lars. „Rätselhafte Kunst – Zum Verhältnis von Kreativität, Kommerz und Autorschaft.“ Post-Coca-Colanization: Zurück zur Vielfalt? Eds. Komor, Sophia and Rebekka Rohleder. Frankfurt: Lang, 2009. 211-30. Print.

Der Artikel steht hier als PDF zur Verfügung: >> Post-Coca-Colanization