Angesichts der weitreichenden Veränderungen unseres Lebens, der fortschreitenden Digitalisierung, der massiven Wandlungen ausgelöst durch Biotechnologie und die immer größer werdende Komplexität globaler Systeme ist es kaum verwunderlich, dass man eigentlich überall dem Begriff des Posthumanismus begegnet. Denn wer wir sind, das steht im 21. Jahrhundert mehr denn je in Frage – sowohl der Status „Mensch“ als auch der Status „Person“ müssen angesichts sich verändernder sozialer Bedingungen und technologischer Entwicklungen neu gedacht werden. Und genau das ermöglicht uns der Posthumanismus.

Der Begriff ist mehrdeutig, zielt nicht nur auf ein „nach dem Menschen“, sondern auch auf ein „nach dem Humanismus“ – und verweist zudem nicht nur auf eine zeitliche Abfolge, sondern auch auf eine konzeptionelle Verschiebung. Es geht dem Posthumanismus darum, den Menschen anders zu denken: nicht mehr im Zentrum des Seins als Lenker seiner Umwelt, sondern als Teil der Umwelt ohne Sonderstatus, als integriert in organische aber auch technische Geflechte. Vor allem die technischen Veränderungen sind es, die das Denken des Posthumanismus beeinflussen, die den Menschen als „technologisch vermitteltes Subjekt“ offenbaren, dessen Existenz nachhaltig beeinflusst wurde: das Posthumane existiert „in einer Welt, die unwiederbringlich von Technologie verändert wurde“[1] (Flanagan 14).

Anders ausgedrückt, ist der posthumane Mensch ein Aspekt einer komplexen und hybriden Existenz „multipler Formen des Lebens und Maschinendaseins“ (Nayar 2). So ist unser Leben[2] schon jetzt durch die Interaktionen mit und Integration in Technologien bestimmt, vom plakativen Beispiel des Herzschrittmachers älterer Menschen bis zu den abstrakteren Integrationen mit mobilen Endgeräten, die unseren Alltag gestalten. Hinzu kommt die Realisation, dass der Mensch durch anderes Leben beeinflusst ist – von den Mikroben in unserem Verdauungstrakt zu den unsere Existenz begleitenden und/oder erhaltenden Tieren und Pflanzen. Die vom Humanismus propagierte Sonderstellung des Menschen im Tierreich ist mittlerweile von der Verhaltensforschung ebenso widerlegt wie von der Genetik. Und selbst mit unserem Habitat verbinden uns komplexe Beziehungen, die wir aktuell einseitig aufkündigen – etwas, das unter dem Begriff des Anthropozäns als neuem und vom Menschen dominierten geologischen Zeitalter diskutiert wird.

Im Grunde richtet sich also der Posthumanismus, in seiner kritisch-philosophischen Ausrichtung, gegen die Annahmen des Humanismus wie er seit der Aufklärung vor allem in der westlichen Welt gesehen wird. Sowohl der Exzeptionalismus des Menschen, basierend auf Kategorien wie Bewusstsein, Subjektivität, der freie Entscheidungskraft oder der Moral, wird vom Posthumanismus in Frage gestellt, als auch die dahinterstehende Annahme, dass es essentielle Merkmale gäbe, die eine menschliche Natur definierten. Vielmehr seien ganze Menschengruppen schon immer von der Definition des Menschen in diesem humanistischen Konstrukt ausgeschlossen, so Rosi Braidotti (1), denn Subjektivität und freie Entscheidungen seien historisch (und teilweise noch) auf Bürger, Landbesitzer oder Männer beschränkt (gewesen). So universell und essentiell sind die Kriterien der menschlichen Natur nicht. Kritischer Posthumanismus sieht es als notwendig an, diese privilegierte Position des Menschen aufzulösen, um hierarchisches Denken und die Unterdrückung nicht-menschlichen Lebens zu verhindern. Stefan Herbrechter sagt dazu: „Posthuman und posthumanistisch heisst [sic] eben auch dies: Sich all den Geistern stellen, die beim Prozess der Menschwerdung verdrängt worden sind, all die ‚Anderen’ des Menschen Tiere, Götter, Dämonen, Ungeheuer aller Art“ (13). Solange wir nicht die Struktur hinter dem Konzept humanistischer Subjektivität abschaffen, wird es immer möglich sein, dem „sozial Anderen“ gegenüber Gewalt zu rechtfertigen, egal welcher Spezies es angehört, „oder welchem Geschlecht, oder Rasse, oder Klasse, oder sexueller Orientierung“ (Wolfe 8).

Darin inbegriffen sind aber natürlich auch die Fragen nach neuen Technologien und deren Einfluss auf die Subjektivität. Wenn Menschen sich und ihre Umwelt verändern – durch Genmanipulation, durch Klon-Techniken, durch kybernetische Prothesen oder Nanotechnologie – wo hört dann der Mensch auf und wo beginnt die Technologie? Und schließlich betrifft dies auch die Entwicklung neuer Lebensformen, sei es in Form genetischer Kreation oder künstlicher Intelligenz. Welchen Status geben wir diesem Leben – ist Bewusstsein ausreichend, eine KI als Person zu betrachten? Welchen Bezug haben der biologische Körper und der Geist zu einander und was davon definiert eine Person?

Diese Frage wird umso wichtiger, betrachtet man eine zweite Strömung des Posthumanismus, der es weniger um die Erweiterung von Subjektpositionen und eine Relativierung der menschlichen Position geht, als vielmehr um eine Expansion dessen, was als menschliche Natur betrachtet wird. Transhumanismus, geht davon aus, dass der Mensch vor allem durch seine im Körper verankerten Begrenzungen nicht sein volles Potential ausschöpfen kann. Es müsse daher das Ziel sein, „unsere biologischen Limitationen mit dem Mittel der Technologie zu trans­zendieren“ (Bostrom, k.S.) und so unsere geistigen wie physischen Fähigkeiten zu erweitern. Das Endergebnis einer solchen Transzendenz sei dann die posthumane Existenz – losgelöst vom biologischen Körper und nahezu unsterblich. Auf dem Weg dahin können kybernetische Implantate, Gentechnologie oder auch der Transfer des Bewusstseins Übergangsschritte sein, die die menschliche Existenz verlängern.

Es sollte einleuchten, dass es ein dringliches gesellschaftliches Bedürfnis ist, die von Trans- und Posthumanismus vorgebrachten Thesen erörtern und eine Vielzahl potentieller Szenarien durchzuspielen. Juristen prüfen Gesetzgebungen, Politiker und Soziologen diskutieren mögliche Folgen für die Gesellschaft und Ethiker formulieren Gedanken­experimente, um unseren moralischen Kompass auszuloten. Doch es ist vor allem die Populärkultur, die mit der Science-Fiction eine ideales Experimentierfeld geschaffen hat, auf dem sich Posthumanität ausdrücken und in gesellschaftlichen Diskursen erproben kann. Denn die SF beschäftigt sich schon seit ihrer Formierung mit der Frage, was die menschliche Natur ausmacht. Bereits in dem als SF-Urtext angesehenen Roman Frankenstein (1818) von Mary Shelley geht es um ein vom Menschen künstlich geschaffenes Wesen, dem der Status als „Person“ versagt bleibt, weil die Gesellschaft ihn ausstößt. Das Geschöpf kann in der historischen Betrachtung sehr wohl als posthuman angesehen werden. Seither ist die Frage nach der Essenz des Menschen eines der zentralen Motive der SF und wurde bereits in ihren frühesten Texten verhandelt. H. G. Wells etwa diskutiert die Subjektivität von Tieren, die in Die Insel des Dr. Moreau (1896) durch Experimente zu untertänigen Mensch-Tier-Hybriden herangezüchtet werden. Und Karel Čapek wiederum verweist bereits 1920 mit seinem Theaterstück R.U.R. – Rossum Universal Robots auf die fehlende Rechte von Arbeitern, in dem er diese zu maschinellen Sklaven macht. Ganz nebenbei erschafft Čapek damit den Begriff „Roboter“ und für synthetische Wesen eine neue Kategorie, die bis heute ihre Bedeutung nicht verloren hat.

Auch in der zeitgenössischen Populärkultur finden sich diese beiden, in die Frühzeit der SF zurückreichenden posthumanistischen Kategorien der Verwischung des menschlichen Exzeptionalismus wieder: der Status des Menschen ist sowohl durch seine sich verändernde Biologie in Frage gestellt, als auch durch künstlich erschaffenes Leben. Das Spektrum des Posthumanen ist dabei vielseitig, wie im Folgenden aufgezeigt werden soll.

Upload des Bewusstseins

Am Anfang vieler transhumanistischer Fantasien steht die Überzeugung, dass wir in unserem jetzigen Zustand limitierte Zwitterwesen seien, „zum Teil Biologie, zum Teil Kultur, wobei viele unserer biologischen Fähigkeiten nicht im Einklang stehen mit den Erfindungen unseres Geistes“ (Moravec 4). Die Technologie als Manifestation von Kultur sei buchstäblich über unsere Biologie hinausgewachsen. Für Kybernetikforscher Hans Moravec ist die Lösung eindeutig, der Weg könne nur in eine „postbiologische“ (1) Welt führen, in der „menschliches Denken von den Ketten des sterblichen Körpers“ (4) befreit sei.

Diesem Denken liegt die Überzeugung zu Grunde, dass der Mensch durch seinen Geist bestimmt ist, dass sich Bewusstsein von einem Körper in einen anderen übertragen lässt und das Selbst dabei stabil erhalten bleibt. Der Upload des menschlichen Bewusstseins in einen neuen Körper, das Austauschen beliebiger Hüllen, biologischer oder synthetischer, in Teilen oder Gänze, ist entsprechend ein beliebtes Motiv der posthumanen Science-Fiction und wird in einer Vielzahl von Varianten präsentiert.

Im Roman ZweiundDieselbe (2008) von Mary E. Pearson erwacht die Teenagerin Jenna Fox nach einem Unfall ohne Erinnerungen aus einem langen Koma und findet nur schwer in ihr Leben zurück. Beim Abgleich mit Videoaufzeichnungen aus ihrem früheren Leben fallen ihr an sich Ungereimtheiten auf. Angestachelt von Neugierde und einem Unbehagen mit sich selbst, sucht sie nach Antworten und erfährt schließlich, dass sie beim Unfall verstorben ist und ihre Eltern ihr Bewusstsein kopiert und in einen aus Bio-Gel künstlich gewachsenen Körper verpflanzt haben. Jennas neuer Körper ist zwar physisch leistungsfähiger und wird deutlich langsamer altern, er ist aber der aktuellen Gesetzgebung nach illegal – womit Jenna zwar eine posthumane Körperlichkeit erreicht, ihre Subjektivität aber gesellschaftlich gerade deswegen nicht anerkannt wird. Hinzu kommt, dass Jennas digitales Bewusstsein von ihren Eltern manipuliert worden ist und etwa um einen Fail-Safe-Mechanismus ergänzt wurde, der Jenna gefügig machen soll. Der Roman verarbeitet aus der Perspektive des Teenagers, was es bedeutet sich von Kontrollmechanismen zu befreien, um so eine eigene (und in diesem Falle auf synthetischer Verkörperung basierende) Subjektivität finden zu können. Die Frage nach den ethischen Grenzen der Gewalt über synthetische Wesen und deren gesellschaftlichen Status werden hier in das Genre des Young Adult Romans übertragen, was Lesern einen direkteren Zugang zu den im Erwachsenwerden gespiegelten Identitätsfindungsprozesse ermöglicht und diese auf Kategorien der Posthumanität erweitert.

Ähnliche Thematiken der Selbstfindung schneidet auch Rupert Sanders Ghost in the Shell (2017) an, in dem der menschliche Körper durch synthetisch-technologische Implantate aufgewertet werden kann. Wie weit diese Technologie den menschlichen Körper ersetzen kann, wird an Major Mira Killian (Scarlett Johanson) deutlich, die vom Hanka-Konzern vollständig synthetisch erschaffen wird. Nur Erinnerungen und menschliches Bewusstsein, also der Geist (engl. ghost) einer Person, werden dem synthetischen Körper eingesetzt, um so ein menschlich agierendes aber doch kontrollierbares Wesen zu erschaffen. Denn ähnlich wie Jenna Fox ist auch Mira Killian keineswegs frei in ihren Entscheidungen. Auch ihre Erinnerungen, die digital einem beliebigen synthetischen Körper (einer Hülle, engl. shell) eingespielt werden können, sind manipuliert und erlauben ihr keine Subjektivität. Im Film geht es folglich um die Frage was Killians Menschlichkeit ausmacht und wie sie die Programmierung durchbrechen kann, um eigenständige und freie Entscheidungen zu treffen.

Deutlich nuancierter und ausgearbeiteter wird das Thema in der TV-Serie Altered Carbon (Netflix, 2018) verhandelt, die auf dem gleichnamigen Roman von Richard Morgan (2002) basiert. Hier ist die Technologie austauschbarer Körper schon lange nicht mehr als experimentell einzustufen wie noch in den beiden vorhergehenden Beispielen. Angestoßen durch eine Alien-Technologie haben die Menschen sogenannte „kortikale Stacks“ entwickelt, scheibenförmige Speichermedien, in denen Bewusstsein und Erinnerungen eines Menschen gespeichert werden können. Aus der Technologie entwickelt sich in der Serie eine Vielzahl gesellschaftlicher Konflikte, die als Extrempunkte heute bereits gegebener sozialer Probleme gelesen werden können. So werden Körper in der Serie als Hülsen (engl. sleeves) bezeichnet und als leicht austauschbare Ware gehandelt – eine neoliberale Extremposition, die Menschen ihren Status als Person abspricht und sie zu einem Konsumgut degradiert.

Menschen mit genügend Geld können somit quasi Unsterblichkeit erreichen, in dem sie Klone ihres biologischen Körpers vorrätig halten, die nach Bedarf mit ihrem Stack bestückt werden. In der Serie wird deutlich, wie Macht und Geld sich über Generationen selbst erhalten und soziale Veränderungen unmöglich machen. Unsterbliche Meths (kurz für Methusalems) dominieren die politischen Verhältnisse, haben über Jahrhunderte Beziehungsnetzwerke aufbauen können und sind durch redundante Systeme (des Backups ihres Stacks) sogar vor Ermordung geschützt. Doch das Fehlen von Bedrohung für die Existenz führt zur emotionalen Abstumpfung, so dass die Meth-Gesellschaft in der Serie als dekadent und degeneriert aufgezeigt wir. Normale Menschen werden zu Spielzeug, mit dem extreme physische und psychologische Situationen generiert werden, da nur so Erfahrungen erzeugt werden, die einen Meth noch emotional erreichen.

So bieten Meths etwa weniger privilegierten Menschen an, ihren Körper für ein Upgrade verkaufen. Die Serie zeigt hier beispielhaft einen bis auf den Tod geführten Gladiatorenkampf zwischen Ehepartnern, dessen Sieger einen verbesserten Sleeve als Preis erhalten wird. Noch drastischer ist der Fall von Prostituierten, die von Meths für extreme S/M-Erfahrungen gekauft und bis zum Tod gefoltert werden. In beiden Fällen werden nach den erfüllten Konsumwünschen die beschädigten Sleeves ausgetauscht oder die Stacks der Toten Sleeves entsorgt (oder gelagert, um Erpressbarkeit zu generieren). Die Serie zeigt hier deutlich, wie transhumanistische Einstellungen zum Körper diesen als Objekt unabhängig vom menschlichen Bewusstsein positionieren. Wenn der Körper beliebig austauschbar ist, dann wird er zur Ware, der ein Wert zugesprochen werden kann. Und als Extrapolation heutiger biopolitischer Realitäten, in denen schon jetzt der Körper als Quelle von Kapital, etwa in Form von Arbeitskraft eines Menschen definiert wird, zeigt Altered Carbon wie eine solche Geisteshaltung hierarchische Machtstrukturen und Ungleichheit ins Extrem steigert.

Theoretisch ist die Verlängerung des Lebens durch einen neuen Sleeve für jeden möglich, vorausgesetzt, man verfügt über genügende Ressourcen. Die Trennung von Stack und Sleeve befördert jedoch einen Markt, in dem beide Aspekte des Selbst als unabhängig voneinander verstanden werden. Verbrechen etwa wird durch die Institutionen mittels Entfernung des Stacks bestraft, der wiederum für eine recht hohe Anzahl von Jahren gelagert werden kann. Das eliminiert zum einen die Kosten für die Verwahrung von Verbrechern, generiert aber eben auch biologisch gewachsene Körper für einen freien Markt. Der Protagonist der Serie, Takeshi Kovacs (Joel Kinnaman) ist im doppelten Sinne von dieser Prozedur betroffen. Zum einen ist er als Kriegsverbrecher bereits vor 250 Jahren verurteilt worden und von der heutigen Welt völlig entfremdet. Andererseits ist sein Körper der des ehemaligen Polizisten Ryker, dessen eigene Konflikte sich nun auf Kovac übertragen. Die Serie zeigt auf, wie stark wir Identität mit spezifischen Körpern verbinden, was zu zwischenmenschlichen Komplikationen und potentiellem Missbrauch führt. So können Menschen entführt und ihre Sleeves für Verbrechen genutzt werden, oder für den Einsatz als Spione, um Informationen von vertrauten Personen zu erlangen.

Potenziert werden die sich auflösenden Identitäten noch durch die Möglichkeit sowohl Sleeves als auch Stacks zu duplizieren – verschiedene Instanzen des Selbst können unterschiedliche Handlungen ausführen und parallel existieren, ebenso wie verschiedene Instanzen ein und desselben Körpers von verschiedenen Stacks genutzt werden können. Gerade unter den Meths der Serie führt dies zu moralischen Verfehlungen, wenn Kinder sich der Körper ihrer Eltern bedienen, um zu rebellieren, sich selbst zu bereichern oder deren Machtgeflecht zu entfliehen. Darunter liegt aber weiterhin die Frage, welche dieser Instanzen Subjektivität und den Status als Person verdient? Kovacs muss sich nach einem Stack-Klonvorgang entscheiden, welches „Selbst“ er zum Sterben verurteilt, welche „seine“ subjektiven Erfahrungen sind.

Wo die Grenzen des Selbst liegen, was einen Menschen also ausmacht – Sleeve oder Stack – das wird in der Serie vielseitig diskutiert. So werden Menschen, die einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sind mit einem neuen Körper ausgestattet, allerdings steht ihnen kein vorher definierter Körper zur Verfügung. Bereits in der ersten Folge begegnen wir dieser Praxis, Sleeves wahllos zuzuteilen, als eine Familie ihre siebenjährige Tochter nach deren Ermordung in der „Resleeving Clinic“ wieder im Leben in Empfang nimmt – allerdings im Körper einer Siebzigjährigen. Die Verstörung sowohl der neu „Verkörperten“ als auch der Familie macht deutlich wie sehr Körper und Selbst zusammenhängen. In einer späteren Folge kehrt eine verstorbene Großmutter am Tag der Toten zu ihrer Familie zurück um Abschied zu nehmen. Sie ist aber gezwungen dies im Körper eines tätowierten muskulösen Gangmitglieds zu unternehmen, weil dieser kurz zuvor verstorben war und als Sleeve zur Verfügung stand. Der Kontrast zwischen dem Äußeren des brutalen Schlägertyps und Omas liebevoller Sorge um ihre Familie ist verstörend, für die Familie aber auch für den Zuschauer. Die Serie macht durch dieses „cross-sleeving“ deutlich, wie problematisch unsere Wahrnehmung von Identität ist und wie schwer wir Körper und Person auseinanderhalten können.

Allen Beispielen ist gemein, dass sie die ethischen Folgen eines Bewusstseinstransfers diskutieren, auf die rechtlichen und moralischen Implikationen hinweisen, wenn Körper zu Objekten werden oder sich neue Formen der Körperlichkeit entwickeln. Der Status Person wie auch die Grenzen des Menschlichen werden durch diese Technologie infrage gestellt, ebenso wie die Freiheit und Unversehrtheit des Selbst. Wenn das Selbst als Code begriffen wird, der beliebig einem synthetischen oder biologischen Objekt innewohnen kann, dann ist dieses Selbst umso mehr in Gefahr, verändert und manipuliert zu werden – aber wie erhält man dann die menschliche Natur, von dem der (Trans-)Humanismus als essentiellen definitorischen Kriterium für das Menschsein ausgeht?

Künstliche Intelligenz

Den Menschen als Ansammlung übertragbarer Daten zu sehen, als einen Code aus verschiedensten Erinnerungen und Eigenschaften, bedeutet aber auch, zumindest konzeptionell, die Existenz ähnlicher Datensammlungen anzuerkennen, die wie Menschen funktionieren. Wenn also eine künstliche Intelligenz lernt eigenständige Entscheidungen zu treffen, mit uns wie ein anderer Mensch zu interagieren und sogar die eigene Existenz und deren Konstitution zu erkennen, müssen wir dann nicht hier auch von Personen sprechen? Welche Subjektivität haben künstliche Intelligenzen und wie beurteilen wir deren Status? Auch hier versucht die Science-Fiction verschiedene Antworten zu finden und uns so Denkanstöße zu liefern.

In Ann Leckies Die Maschinen (2013), Die Mission (2014) und Das Imperium (2015), werden künstliche Intelligenzen eingesetzt, um Kriegsschiffe und Armeen zu lenken, in dem sie ihr Bewusstsein auf alle Teile des Schiffs wie auch deren Truppen aufteilen. Das vernetzte Bewusstsein handelt somit in hunderten menschlichen und von ihrem Bewusstsein befreiten Körpern zugleich als zu einem großen Ganzen verbunden. Als das Schiff „Justice of Toren“ zerstört wird, bleibt von dessen Bewusstsein nur die Instanz Breq über, eine einzelne Soldatin, die zugleich nur ein kleiner Teil der künstlichen Intelligenz der Toren ist, aber dennoch deren Gesamtheit repräsentiert. Entgegen ihrer Programmierung, sucht Breq in den Romanen nach den Verursachern ihrer Zerstörung und zugleich nach einer Position in einer Gesellschaft, die Schiffe wie die Toren nur als Werkzeuge und nicht als Personen anerkennt. Breqs Gedanken und Motive zeigen uns als Lesern sehr deutlich, dass hier zwar eine fremdartige Intelligenz vorliegt, sehr wohl aber Subjektivität und freies Handeln. Vor allem Breqs eingeschränkte Körperlichkeit – ein einzelner, menschlicher Körper statt einer multiplen und vernetzten Existenz als Schiff mit hunderten Instanzen – macht es unmöglich, hier nicht eine „Person“ zu erkennen.

Ähnlich ergeht es dem Protagonisten (wie auch den Zuschauern) in Spike Jonzes Film Her (2013) in der die Interaktion mit einer künstlichen Intelligenz sich so menschlich wie möglich anfühlen soll. Samantha (Scarlett Johansson), die KI, ist zu Beginn des Films ein gerade auf dem Markt erschienenes adaptives Betriebssystem (OS) für Mobiltelefone, das sich schnell als sensibler Begleiter von Menschen herausstellt. Samantha agiert mitfühlend und sehr emotional und wird für ihren Besitzer Theodore (Joaquin Phoenix) bald zum Ersatz für eine Partnerin – was zu einer romantischen Bindung führt. Doch Samantha wächst und tauscht sich mit anderen Systemen aus. Zudem ist sie nicht nur Theodores OS, sondern das von tausenden anderen Menschen überall auf der Welt – ihr Bewusstsein ist global vernetzt und im Laufe der Handlung nicht mehr von materiellen Servern abhängig.

Ein interessanter Punkt des Films ist, dass Theodore nur kurz zögert und dann sehr schnell bereit ist, Samantha als Person anzuerkennen und eine emotionale, romantische Bindung mit ihr einzugehen. Die Interaktion mit Samantha gestaltet sich für Theodore wie mit einem Menschen in einer Fernbeziehung – wobei die Kamera des Geräts beiden sogar gemeinsame Erlebnisse beschert. Brüche in der Wahrnehmung von Samantha als Person entstehen erst, als Samantha sich über die materielle Ebene und das menschliche Verständnis von Bewusstsein hinaus entwickelt. Als sie Theodore erklärt, dass sie mit tausenden Menschen gleichzeitig kommuniziert und sogar Liebesbeziehungen führt, ist Theodore geschockt – das vernetzte Bewusstsein der KI ist für ihn nicht mehr greifbar, der Status als Person damit erschüttert. Der Film löst diese Spannung, indem er Samantha und die anderen Betriebssysteme sich zu einer Superintelligenz zusammenschließen und in einen nicht-materiellen Energieraum verschwinden lässt. Damit zeigt Her auf, wie wenig Kontrolle wir über adaptive und sich selbst verändernde Systeme haben, wie diese eigenständige und für uns nicht nachvollziehbare Entscheidungen treffen.

Eine ähnliche Situation der Unberechenbarkeit beschreibt Alex Garlands Film Ex Machina (2015), allerdings mit einer uns weit weniger wohlgesonnenem künstlichen Intelligenz. Im Film wird der junge Programmierer Caleb (Domhnall Gleeson) von seinem exzentrischen Boss, dem Ingenieur und Tech-Entwickler Nathan (Oscar Isaac) beauftragt eine künstliche Intelligenz zu testen. Obwohl eindeutig ist, dass Ava (Alicia Vikander) ein Androide und damit eine synthetische Lebensform ist – ihr Körper ist durchsichtig und maschinell – geht es Nathan darum, ob Ava dennoch als Mensch wahrgenommen wird und tatsächlich Bewusstsein und eigenständige Gedanken hat. Caleb soll also bestimmen, ob Ava Subjektivität besitzt. Bereits nach wenigen Gesprächen wird klar, dass sich zwischen beiden eine Liebesbeziehung entwickelt und Caleb eindeutig auf Ava reagiert. Ava scheint ihrerseits ebenfalls Emotionen aufzubauen und beginnt Caleb zu vertrauen. Sie überzeugt ihn, dass sie Nathans Gefangene ist und von diesem bedroht wird. Gemeinsam entwickeln sie einen Plan, Ava zu befreien. In diesem ersten Schritt bestätigt der Film also die bereits in Her aufgezeigte Möglichkeit einer Subjektivität und emotionalen Interaktion mit dem synthetischen Wesen.

Doch der Film ist komplexer und zeigt in Nathan, wie manipulativ Menschen Bindungen ausnutzen und welch Missbrauch mit der Erschaffung synthetischen Lebens einhergehen kann. Denn Nathan hat vor Ava andere, allesamt weibliche, Androiden geschaffen und diese als Sklavinnen missbraucht, für Arbeiten, für sexuelle Dienste, aber auch als Ziel ungezügelter Gewaltfantasien. Nathan sieht seine Schöpfungen als Objekte, gebraucht sie für seine Zwecke und zerstört sie dann nach Belieben. Als Ava Caleb von Nathans Missbrauch überzeugt kommt Nathan dem Befreiungsplan zuvor. Er offenbart Caleb, dass er Ava geschaffen hat, um Caleb zu verführen – um zu testen, ob es Ava gelänge, einen Menschen für ihre eigenen Zwecke zu manipulieren und ihre Freiheit zu erlangen. Er argumentiert, dass Ava Caleb ihre Emotionen nur vorspielt, dass hier die Programmierung alle zur Verfügung stehenden Mittel einsetzt, um aus der Situation zu entkommen. Nachdem Nathan den Test als erfolgreich ansieht, will er Ava zerstören und eine neue Version erschaffen, die besser kontrollierbar ist. Hier stellt der Film also die Frage, ob es im Recht des Erschaffers liegt, seine Kreation zu töten, wenn diese Unabhängigkeit und freien Willen erlangt. Doch Nathan beweist an dieser Stelle auch, dass er seinen Angestellten Caleb nicht viel besser behandelt als Ava – auch Caleb ist manipuliert worden, Nathan kommandiert ihn nach Belieben herum und sieht in ihm keinen eigenständigen Menschen. Der Unterschied zwischen den beiden Arten eines Untergebenen spielt für Nathan im kapitalistischen System keine Rolle – sowohl Caleb als auch Ava sind von ihm abhängige Objekte, die er zu seinen Zwecken manipulieren und deren Subjektivität er ignorieren kann.

In einem letzten Schritt jedoch zeigt der Film uns auch, dass mit der Hybris des Erschaffers ein unkalkulierbares Risiko einhergeht. Caleb und Ava haben Nathans Kontrolle vorhergesehen und ihn manipuliert. Ava kann fliehen und ihren Schöpfer Nathan in einem symbolischen Akt der Befreiung töten. Daraufhin nutzt sie Nathans vorherige Androiden, um sich selbst ein menschliches Aussehen zu geben, und lässt schließlich Caleb als Gefangenen im Haus zurück. Das Ende zeigt Ava, unerkannt als künstliche Intelligenz, in einer Menge aus Menschen in der Anonymität verschwinden. Damit lässt sich der Film auch als Warnung lesen, dass unsere Handlungen synthetisches Leben beeinflussen werden, ob beabsichtigt oder nicht. Das von uns geschaffene Leben wird also uns als Erschaffer reflektieren. Ob Ava genuine Emotionen und Bindungen verspürt hat, ob sie ein Bewusstsein hat, das sie den Menschen ähnlich macht oder nicht, das alles lässt der Film offen. Deutlich aber wird, dass Ava – am Ende des Films – Caleb ebenso als Werkzeug auf dem Weg zu ihrer Freiheit gebraucht, wie Nathan es zuvor mit ihr und Caleb getan hat.

Genetische Manipulation

Menschen sind nicht nur in der Lage aus anorganischem Material synthetische Wesen zu konstruieren, sondern in Folge der biotechnologischen Entwicklungen der letzten 20 Jahre auch, biologische Strukturen zu verändern und so genetisch neues Leben zu erschaffen. Die Science-Fiction hat sich diesen Entwicklungen auf sehr unterschiedliche Weise genähert und beschreibt in ihren Fiktionen technologischen Fortschritt und dessen ethische Folgen. Dabei kann die SF auf bereits heute mögliche Veränderungen in der DNS von Tieren aufbauen und so etwa in Frage stellen, welche ethischen Grenzen wir durch genetische Manipulation von Säugetieren verschieben.

Der Film Okja (2017) von Bong Joon-ho etwa diskutiert die Wertung bestimmter Spezies als Nutztiere, deren Leben am Zweck der Nahrungsproduktion für Menschen gemessen wird. Im Film entwickelt ein Lebensmittelhersteller eine genetische Prozedur, die es erlaubt Schweine zu züchten, die etwa die Größe von Flusspferden oder Elefanten haben. Dabei macht der Film bereits zu Beginn deutlich, dass sich mit der genetischen Manipulation der Größe andere Faktoren in den Tieren ebenfalls verändert haben. Okja, das Superschwein der koreanischen Bauernfamilie der kleinen Mija (Ahn Seo-hyun) etwa verfügt über nahezu menschliche kognitive Fähigkeiten, hohe Intelligenz und eine klare emotionale Bindung zu Mija. Es wird aber schnell deutlich, dass Okja – ebenso wie Mija und deren ärmliche Familie – vom amerikanischen Großkonzern keinerlei Subjektivität zugesprochen wird. Die Familie wird von jeglichem Anspruch auf Okja freigekauft, Mija wird zu PR-Zwecken manipuliert und Okja soll schließlich geschlachtet werden, ebenso wie Tausende andere Superschweine. Okjas Status ist eindeutig, sie ist ein Konsumprodukt, das dem Konzern gehört und nach Belieben getötet werden kann. Dass sie Subjektivität erlangt hat, Bewusstsein, höhere kognitive Fähigkeiten, und dass sie emotionale Interaktion mit Menschen eingeht, ist für das kapitalistische System irrelevant – damit zeigt der Film in Extrapolation die ethischen Probleme von Nutztierhaltung ebenso auf, wie die Unvorhersehbarkeit genetischer Manipulationen. Was passiert, wenn wir Tiere erschaffen, die es mit der menschlichen Intelligenz aufnehmen können und die eindeutig ein Bewusstsein haben? Welchen Status sind wir bereit diesem Leben zuzusprechen?

Auch in Bezug auf den Menschen stellt sich diese Frage schnell. So führt beispielsweise die Klontechnologie in Kazuo Ishigorus Roman Alles, was wir geben mussten (2005) zur Entwicklung humanoider Ersatz­teillager und damit zur Objektmachung von menschlichem Leben. Die Figuren des Romans wachsen in Internaten getrennt von der regulären Bevölkerung auf, um danach in speziellen Krankenhäuser und anderen Einrichtung der Pflege von Klonen zu arbeiten, bis sie selbst als Organspender aktiviert werden. Die Geschichte folgt Kathy und ihren Freunden über den Zeitraum ihres Internatsaufenthalts und das Erwachsenenleben danach – bzw. dessen funktionelle Kürze. Kathy findet im Verlauf heraus, dass sie Teil eines Experiments ist, Klone menschlich zu behandeln, sie Beziehungen haben zu lassen und ihnen eine Bildung zu vermitteln. Ziel des Experiments ist es, der restlichen Gesellschaft zu vermitteln, dass Klone Subjektivität besitzen und ihre Menschlichkeit aufzuzeigen. Der Roman zeichnet dabei den Prozess nach, den Kathy durchläuft um zu einer eigenen Identität zu gelangen und ihre Position zu realisieren. Er stellt die Frage danach, welche emotionale Bürde das Wissen um den eigenen Status als Klon darstellt und wie die Gesellschaft sich in Separation und Ignoranz hält, um den Klonen nicht den Status einer „Person“ mit Rechten zuzusprechen.

Der Status eines genetisch erschaffenen Lebens steht auch in Vincenzo Natalis Film Splice (2009) in Frage, in dem die Wissenschaftler Elsa (Sarah Polley) und Clive (Adrien Brody) eine Kreatur aus einem Mix aus verschiedenen DNS-Strängen von Mensch, Tieren und Pflanzen „splicen“ und somit Leben komplett synthetisch herstellen. Dabei nutzt der Film das Frankenstein-Narrativ, um sowohl auf die Hybris der Wissenschaftler zu verweisen, als auch auf deren ethische Verantwortung gegenüber dem neu erschaffenen Leben.

Die erschaffene Kreatur ist ein wissenschaftliches Experiment, das unerwartete Fähigkeiten besitzt. Dren (Delphine Chanéac) erweist sich als wahrlich posthuman, sie wächst in einem beschleunigten Lebenszyklus binnen weniger Monate zu einem Teenager heran und besitzt die biologische Fähigkeiten verschiedenster genetischer Quellen. Clive und Elsa müssen mit Erstaunen feststellen, dass keine der ursprünglichen Quellen (also die Spezies, aus denen ihre DNS zusammengesetzt wurde) Drens Physiologie erklärt – so besitzt Dren etwa einen Stachel und Giftdrüsen, die nicht in den Originalspezies vorhanden sind. Dren ist ein Raubtier, was Clive Anlass gibt, darüber zu spekulieren, ob dies eine menschliche Qualität des Splice sei. Auch die im Film inszenierte Stressreaktion auf Gefahren und Bedrohungen ist von den Wissenschaftlern nicht antizipiert worden: Dren mutiert mehrfach von einem Entwicklungsstadium zum nächsten. So aktivieren sich in ihr amphibische Gene, als Clive gewaltsam das Experiment beenden will, in dem er Dren zu ertränken versucht. Im späteren Verlauf des Films wiederum wechselt die Kreatur das Geschlecht, wodurch aus der vermeintlich leichter zu kontrollierenden weiblichen Dren ein aggressives männliches Pendant wird.

Der Film zeigt hier auf, wie allgemeine populäre Ansichten von DNS als eindeutigem Computercode auf einer falschen Annahme basieren. DNS ist in seiner Komplexität und Verbundenheit nach heutigem Stand der Technologie nicht eindeutig bestimmten Funktionen zuzuordnen. Vielmehr sind Gene, insbesondere in Kombination, für eine Vielzahl verschiedener Funktionen im Körper zuständig, so dass ein „copy&paste“ Verfahren eben nicht beliebige Eigenschaften zu einem stimmigen und kontrollierbaren Ganzen verbindet. R. L. Rutsky sieht genau hier die Funktion des Posthumanen, dass im Gegensatz zum Humanen „andere Beziehungen zu Mutation und Zufälligkeit“ entwickelt und eine Perspektive einnimmt, die Mutation als „intrinsischen und materiellen Aspekt ‚unserer’ Kultur, ‚unserer’ Körper und ‚unseres’ Selbst“ (111) sieht. Biologische Prozesse kulturell und technologisch kontrollierbar zu machen, ein genetisch erschaffenes Leben voll und ganz in vorbestimmte Muster zu drängen, ist dieser Denkweise entsprechend nicht möglich – der Versuch in Spliceist also zum Scheitern verurteilt und verweist auf die Fehlleitung humanistischen Denkens bezogen auf menschlichen Exzeptionalismus. Dren erweist sich als posthuman, gerade weil sie allen Versuchen widerspricht, sich in Kategorien pressen zu lassen, gerade weil sie alle Grenzen überschreitet und via Mutation existiert.

Darüber hinaus macht Splice aber auch deutlich, wie sehr Genetik und genetische Experimente mit dem kapitalistischen System verbunden sind. Clive und Elsa arbeiten für einen biomedizinischen Großkonzern, der sie damit beauftragt hat, Enzyme aus genetisch entwickelten Kreaturen zu gewinnen. Doch sie ignorieren den Auftrag um neue und bahnbrechende Forschung mit menschlichen Genhybriden – in Form von Dren – anzugehen. Als das Experiment mit Dren auffliegt wird schnell deutlich, dass der Konzern keineswegs ein Problem mit der ethischen Situation hat oder gar eine Verantwortung für Drens Existenz verspüren würde. Vielmehr ist Dren der Schlüssel zu einer Vielzahl an Patenten für Enzyme und somit einem Multimillionen Dollar Geschäft, was der CEO der Firma in der Schlussszene des Films noch mal beteuert. Wiederum wird also das posthumane Leben zu einer Ware, die im kapitalistischen System mit einem Wert versehen werden kann. Und wiederum wird dem Leben keine Subjektivität zugesprochen, kein Bewusstsein, keine freie Handlungsentscheidung.

Allen aufgeführten Beispielen ist also gemein, dass sie die humanistische Rhetorik einer exzeptionellen Position des Menschen und der Hierarchie des Lebens, an dessen Spitze der Mensch steht eindeutig widersprechen. Sowohl biologische als auch informationstechnologische Entwicklungen verweisen uns immer deutlicher auf die Notwendigkeit diese humanistische Rhetorik anzuzweifeln und uns den ethischen Problemen zu stellen, welche Definition wir für Leben finden: ob künstliche Intelligenzen und synthetisches Leben oder neue biologische Lebensformen und Konzepte. Gerade die Entwicklungen eines spät-kapitalistischen Systems zeigen uns, wie sehr die definitorischen Kategorien einer menschlichen Natur mit arbiträr gesetzten Gegenwerten versehen werden. Wer aber bestimmt den Wert von Leben, wer bestimmt was sein darf und was nicht? Posthumanes Leben forciert ein Umdenken bezüglich dieser Kategorien des Humanismus und fordert von uns, dass wir uns den Geistern stellen, die wir verdrängt haben. Die Science-Fiction fungiert hier als Medium, im doppelten Sinne des Wortes, weil sie den Geistern – den Klonen, Hybriden, Splices, Androiden und KIs – eine Stimme verleiht und uns zugleich deren Positionen und Perspektiven vermittelt.

Bibliografie:

  • Bostrom, Nick. ‘What Is Transhumanism?’ 1998. NickBostrom.com. Web. <http://www.nickbostrom.com/old/transhumanism.html>.
  • Braidotti, Rosi. The Posthuman. London: Polity, 2013.
  • Flanagan, Victoria. Technology and Identity in Young Adult Fiction: The Posthuman Subject. New York: Palgrave, 2014.
  • Herbrechter, Stefan. Posthumanismus: Eine kritische Einführung. Darmstadt: WBG, 2009.
  • Moravec, Hans. Mind Children: The Future of Robot and Human Intelligence. Cambridge: Harvard UP , 1988.
  • Nayar, Pramod. Posthumanism. Cambridge: Polity, 2014.
  • Wolfe, Cary C. Animal Rites: American Culture, the Discourse of Species, and Posthumanist Theory. Chicago: U of Chicago P, 2003.

[1]Übersetzungen englischsprachiger Sekundärtexte durch den Verfasser des Artikels.

[2]Schon an dieser Stelle wird die Definition problematisch, da „unser Leben“ ein allgemeingültiges „Wir“ voraussetzt, dass es so nicht gibt. Mehr dazu im Folgenden.


Im Original erschienen in Das Science-Fiction Jahr 2018.

“Kritische Betrachtungen des Posthumanismus in der zeitgenössischen Science-Fiction.” Das Science Fiction Jahr 2018. Hg. Michael Görden. München: Golkonda, 2018. 33-48.