Wie im alten Rom…

Als Wilson Tucker 1941 vorschlug, „amateurhaftes, schleifendes, stinkiges, und abgenutztes Weltraum-Seemansgarn“ in Anlehnung an Seifenopern und Pferdeopern abfällig als Weltraumoper zu bezeichnen, da waren Space Operas in den USA einerseits die verbreitetste Form der Science Fiction, andererseits aber alles andere als qualitativ hochwertig.

Vielmehr galt die Devise, dass man ohne großen Aufwand die Abenteuergeschichten von raumfahrenden Helden (ja, meist männlich) und unerforschten Planeten für schnelles Geld zusammenbasteln konnte. Das Publikum, damals durchaus noch die klischeehaften Teenager-Jungs, kam nicht gerade mit Anspruch an philosophische Tiefe oder wissenschaftliche Plausibilität zu den Werken – Flash Gordon und Buck Rogers sind wohl auch heute noch Paradebeispiele dieser Art „leichter Unterhaltung“, der es vor allem um Action und Entdeckergeist ging.

Von diesen niederen Anfängen hat sich die Space Opera, auch dank medialer Entwicklungen (wie dem immer komplexer werdenden Star Trek-Franchise), seither deutlich weiterentwickelt, so dass David Hartwell und Kathryn Cramer in ihrem Buch The Space Opera Renaissance dem Genre seit den 1980er Jahren einen bis heute anhaltenden Boom zusprechen. Heutige Autor*innen bestechen in ihren Space Operas mit intensiv recherchierter Hard SF, die technische Innovationen und deren drastische Konsequenzen spürbar macht, mit komplexen sozio-politischen Gefügen, die Bewohner interstellarer Gesellschaften zu navigieren haben, und mit erwachsene Themen, die weder vor devianter Sexualität noch vor existenzieller Philosophie zurückschrecken. Gute Beispiele hierfür sind sicherlich die Werke von Charles Stross, Ian M. Banks oder Ann Leckie.

Mit Roma Nova positioniert sich die deutsche Autorin Judith C. Vogt, die bislang vornehmlich verschiedene Fantasy-Szenarien geschrieben hat, nun in genau dieses literarische Feld und ist ein Beispiel dafür, dass auch die deutsche SF/F-Landschaft die Freude an der Space Opera (wieder)entdeckt hat. Dabei hält sich Vogt einerseits an die ideellen Ursprünge des Genres und schreibt eine actionreiche Abenteuer­geschichte, reichert diese aber durchaus mit Aspekten neuerer Art an, wie etwa die expliziten Sexualbeschreibungen oder die politischen Ränkespiele belegen. Die Prämisse eines imaginativ ins All verlagerten römischen Reichs mitsamt seiner intergalaktischen Kolonialisierung jedenfalls bietet Potential für beide Seiten des Genres.

Die Handlung startet mit dem Überfall auf ein Vergnügungsschiff der römischen High Society und eskaliert in einem actionlastigen Dreisprung schon bald in Gladiatoren-Kämpfen, einer Sklavenrevolte und interstellaren Raumschiffschlachten. Dabei bedient sich Vogt teilweise im Repertoire der Fantasy (Dämonen, Götter, Fabelwesen, Weissagungen) und gerade die historische Grundierung in der römischen Mythologie drängt den Roman eher zur Science Fantasy als zur Science Fiction. Das Setting mit seiner stellaren Extrapolation – Roma Nova als Planet, der Rubikon ein Asteroidengürtel, der Hades als ein ein schwarzes Loch umkreisendes System usw. – liefert jede Menge interessanter Ideen und Vogt beweist hier eine detailgetreue Recherche, achtet auf die kleinen Momente, in denen römische Kultur auch in den hintersten Ecken des Mare Nostrum aufscheint.

Doch bleibt auch etwas Dissonanz, denn fortschrittliche Technologie kollidiert mit traditionellem Kampf und antiken Sozialsystemen. Der Roman geht (wenn auch unausgesprochen) davon aus, dass wissenschaftliche Erkenntnis und technologischer Fortschritt nicht zugleich auch soziale Veränderungen oder philosophische Aufklärung mit sich bringen, dass Götterglaube und das Primat des männlichen Bürgers über Frauen und Sklaven sich durchsetzen können über Zeit und Fortschritt hinaus. Technische Innovationen wie der Buchdruck, das Fernsehen, die Raumfahrt, oder mobile Kommunikation haben in der Welt von Roma Nova keine revolutionären Impulse ausgelöst und die Gesellschaft von Grund auf erschüttert – das bleibt ausdrücklich der durch eine mächtige Seherin angestoßenen Handlung vorbehalten, in der viel von Vorherbestimmung und Flüchen die Rede ist.

Dabei sollte man Judith Vogt aber keinesfalls eine nostalgisch-eskapistische Motivik unterstellen, die die Antike verklärt, denn der Roman nimmt das Römische Reich vielmehr als Metapher für eine dekadente und mit sich selbst beschäftigte „Erste Welt“ von heute. Der Roman sucht dezidiert die Position der Unterdrückten und Ausgestoßenen und zeigt damit auf, wie nah wir immer noch diesem Ancient Regime sind, wie wenig wir über „unsere“ Sklaven nachdenken. Roma Nova ist eine Space Opera, die sich ebenso an eingeölten Muskeln im wohl-choreografierten Schwertkampf ergötzen kann, als auch die in diesem Gladiatorenkampf systemisch inhärente Unterdrückung aufzuzeigen vermag. Wer sich also nicht auf Hard-SF versteift und durchaus die Fantasy zu schätzen weiß, der findet hier einen lesenswerten Genremix – und ein paar hintergründige Anspielungen auf alte Geschichte noch dazu.

Judith C. Vogt, Roma Nova, Bastei Lübbe, Juli 2018