Einleitung: Splice

Es gibt eigentlich so gut wie kein Review des Films Splice (CDN/FR/US 2009, dt. Splice – Das Genexperiment), in dem nicht auf die Bezüge zu Frankenstein (1816) verwiesen wird, und sei es nur, um die Erwartungen des Rezipienten zu lenken und den Film so deutlich im Horrorsegment zu positionieren.

Vincenzo Natali, Regisseur und Autor, bezeichnet seinen Film in einem Interview auf der DVD selber als „Frankenstein kind of story“ („Behind the Scenes“) und verweist damit auf dessen oberflächliches Interesse an möglichen Horrorszenarien von Genexperimenten an Menschen und der Erschaffung humaner Hybridwesen. Das Resultat ist dann als recht vorhersehbares ‚Creature Feature‘ anzusehen und als solches nicht gerade ein herausragendes Beispiel des Horrorfilmgenres[1]. Diese Lesart von Splice ist durchaus angemessen, ganz wie damals Mary Shelleys Roman als Gothic Novel gelesen und (durchaus zurecht) nicht gerade mit Lob und Aufmerksamkeit überschüttet wurde.

Dabei böte sich – wenn wir uns an Brian Aldiss‘ Aussage erinnern, dass Shelleys Roman die traditionellen Genregrenzen der Gothic Novel erweiterte, indem er den Terror vom Übernatürlichen zum Wissenschaftlichen verschoben habe (7-39) – auch eine andere Lesart des Films. Wenn Aldiss Frankenstein als ersten Science Fiction (SF) Roman bezeichnet und behauptet, der Roman etabliere die „search for a definition of man and his status in the universe“ (8, kursiv im Original) als ersten großen Mythos des Industriellen Zeitalters (vgl. 23), dann eröffnet er damit auch Splice einer solchen mythologischen Lesart, die in den Wurzeln des SF-Genres und nicht im Horror be­gründet liegt. So argumentiert beispielsweise James Gunn, dass SF als „literature of change“ (vii) gerade dann ideal zum Einsatz käme, wenn es um die Veränderungen unserer menschlichen Entwicklung und die so flüchtige conditio humana ginge. Er geht sogar so weit, SF als „Darwinian“, als „literature of the human species“ (vii) zu bezeichnen. Ein Film, der die Position des Menschen angesichts des nächsten evolutionären Schrittes verhandelt und ihn der genetisch erzeugten Post­humanität entgegenstellt, fällt also durchaus in den hier aufgespannten Rahmen einer SF-Interpretation und erlaubt somit einen vorsichtigen Blick auf unseren aktuellen Status im Universum, wie Aldiss bemerkt. Splice soll also entsprechend im Folgen­den als mythopoetische Abwandlung dieses großen Mythos gelesen werden: die Er­schaffung des Lebens durch den Menschen in der Version des 21. Jahrhunderts. Dabei wird der vorliegende Essay in drei Abschnitte unterteilt sein, die sich genauer mit den beiden zentralen Aspekten des Mythos auseinandersetzen, mit dem Erschaffer und mit seiner Kreatur.

Der Film erzählt die Geschichte von Clive Nicoli (Adrien Brody) und Elsa Kast (Sarah Polley), zwei jungen, erfolgreichen Wissenschaftlern, und ihrem Versuch, das erste posthumane Lebewesen durch genetische Manipulation menschlicher, tierischer und pflanzlicher DNS zu kreieren. Ausgelöst durch intellektuellen Ehrgeiz („to see if we can do it“), wird aus dem Reagenzglas-Experiment schnell ein illegaler Feldversuch, der in der Existenz der biogenetisch erschaffenen Kreatur H50 gipfelt. Es folgt, was folgen muss: die Kreatur durchläuft in beschleunigten Mutationsschüben unterschied­liche Entwicklungsstadien von der Larve über eine Art Nagetier-Vogel-Hybrid bis hin zu einem menschenähnlichen Kind und später Heranwachsenden. Mit der Entwicklung von H50 parallel verläuft die Entwicklung der Wissenschaftler, die die Elternschaft für das neue Leben übernehmen und sich der Verantwortung für ihre Schöpfung stellen. Clive und Elsa taufen das Wesen Dren (als Kind: Abigail Chu bzw. als Erwachsene: Delphine Chanéac) und lehren das posthumane Wesen menschliches Verhalten, während ihr Ex­pe­ri­ment zeitgleich immer mehr an Kontrollierbarkeit und Wissenschaftlichkeit ver­liert. Am Ende des Films ist die Eltern-Kind-Beziehung ethisch ebenso mit Konflikten behaftet wie das Verhältnis der Wissenschaftler zu ihrem Experiment seit Anbeginn. Clive und Elsa erkennen nicht die Überschreitung der Grenzen moralisch-korrekten Verhaltens, sowohl in Hinsicht auf die wissenschaftliche Redlichkeit als auch in Hinsicht auf ihre Elternschaft, und so wird Dren schließlich in die Rolle der jugend­lichen Rebellin gezwungen, die sich gegen ihre Eltern auflehnt und sich schließlich in einem letzten Mutationsschub vollends zu Franken­steins Monster wandelt.

Die Wissenschaftler

Neuartig in der Darstellung der Wissenschaft im Film ist aber, dass die bedrückende Ansicht über den Wissenschaftler als einsamen, verschrobenen und unsozialen Professor, der im Verborgenen seinen geheimen Experimenten nachgeht, nicht mehr stimmt. Glen Scott Allen beschreibt dieses Stereotyp in seiner Studie über das Bild des Wissenschaftlers in der amerikanischen Populärkultur als „Wicked Wizard“, als Negativbild, das vor allem durch die Separation vom sozialen Leben, durch rein intellektuelle, egoistische Motive für die Forschung gekennzeichnet ist (vgl. 254f.) und damit durchaus den seit den 1950er Jahren in der US-Bevölkerung gängigen realen Vorurteilen gegenüber Wissenschaftlern entspricht (vgl. Schmeink 223). Splice präsentiert aber nun ein anderes Bild der Wissenschaft, das eher einem Medienhype entspringt und die moderne Gentechnik als Heiligen Gral moderner, voll technologisierter Forschung darstellt. Clive und Elsa sind eben keine „Wicked Wizards“, sondern junge, attraktive und vor allem ultracoole Designer, die von hippen Apartments, Titelgeschichten in Wired und Rockstar-Berühmtheit träumen. Die dunklen, dreckigen Gemäuer Frankensteins ersetzt der Film durch moderne, sterile Laboratorien, die visuell kühl ausgeleuchtet und technisch bestens ausgestattet erscheinen.

Die wissenschaftlichen Prozesse, einst anstrengend, frustrierend und mit fanatischer Präzision und Geduld auszuführen, werden in der Darstellung des Films zu einer digitalen Kunstform, die dank ‚CSI-Shot‘[2] Präsentation mit angesagter Technomusik, 3D-Animationen der Genmanipulation im Computer und rapider Schnitttechnik mehr einer Actionszene gleichen als dem bisherigen Klischee sozial ausgrenzender, zeitintensiver Laborarbeit. Stacy Abbot sieht hierin eine „strategy of visual exposition“ (97), die aktuelle SF-Filme vor allem dazu nutzen, unsichtbare Vorgänge wie beispielsweise die Manipulation der DNS sichtbar zu machen. Die unsichtbaren, komplexen wissenschaftlichen Vorgänge werden durch die expressive Montage aber nicht nur sichtbar, sie werden auch für den Laien (zumindest augenscheinlich) verständlicher und somit attraktiver, was wiederum das Bild der Wissenschaften in der Gesellschaft maßgeblich zum Positiven beeinflusst (vgl. Perkins).

Hinzu kommt, dass Clive und Elsa keineswegs einsam und von der Gesellschaft entfernt arbeiten, sondern vielmehr ein ganzes Team an Doktoranden um sich scharen, Pharmakonzerne und PR-Manager sich um die passende und mediengerechte Präsentation ihrer Forschungsergebnisse kümmern und diese entsprechend erfolgreich vermarkten. Die ‚verrückten Wissenschaftler‘ aus Splice machen sich nicht fehlender Verantwortung für ihre Kreatur schuldig, weil sie mit der sie umgebenden Gesellschaft, Freunden und Familie gebrochen haben, wie es Victor Frankenstein tat, weil er ihre Reaktionen fürchtete und seine eigene Arbeit mit Abscheu betrachtete. Vielmehr entsteht die Verantwortungslosigkeit im Film durch genau entgegengesetzte Druckmomente: Um in der heutigen Gesellschaft funktionieren und in der Konkurrenzsituation der auf Aufmerksamkeit basierenden Internetökonomie und dem immer schneller vorantreibenden Markt mithalten zu können, sind die Wissenschaftler gezwungen, die Trans­gression zur Normalität zu erklären und den Anderen immer einen Schritt voraus zu sein: „If we don’t use human DNA now, someone else will“, sagt Elsa und reflektiert damit den drohenden Verlust sowohl persönlicher als auch kommerzieller Anerkennung ihrer Arbeit.

Ein zentrales Moment in der Argumentation Allens ist die Unmöglichkeit einer natürlichen Fortpflanzung für den „Wicked Wizard“ – oftmals, wie im Beispiel Frankenstein, ausgelöst durch die Isolation von der Familie oder infolge unvorhersehbarer Konsequenzen der wissenschaftlichen Arbeit selbst. Trotz der Paarbindung und der gesellschaftlichen Akzeptanz der Wissenschaftler findet sich dieses Moment in Splice wieder, wenn auch komplexer. Elsa, die einerseits das Chaos natürlicher Reproduktion und die eigene Schwangerschaft aus emotionellen Gründen strikt ablehnt, involviert sich andererseits aber mit vollem Gefühl und unter Einsatz des eigenen Lebens in die vermeintlich kontrollierte und reglementierte Situation des wissenschaftlichen Experiments. In dieser Ersatzbeziehung[3] wird das metaphorische Hauptmotiv des Films vollends ausgearbeitet: wissenschaftliche Schöpfung und Kreativität, insbesondere die genetische Erschaffung neuen Lebens, sind gleich­bedeutend mit Elternschaft. Ihnen ist gemein, dass sie Opfer erfordern, dass sie frustrierend und aufreibend sind, und dass sie unweigerlich und kontinuierlich den Respekt gegenüber und die Verantwortung für die eigene Schöpfung verlangen – und dass genau hierin auch die Gefahr liegt, die von ihnen ausgeht.

Die Kreatur

Das Hauptaugenmerk der Geschichte ist dank dieser Metapher also nicht auf die Wissenschaft selbst gerichtet, sondern vielmehr auf die Konsequenzen, die diese auf unseren Status als Menschen hat. Am Beispiel der zu Elternschaft gezwungenen Wissenschaftler, insbesondere an Elsa, die als Frau die Rolle des ‚verrückten Wissenschaftlers‘ einnimmt, verdeutlicht sich das Dilemma des Menschen angesichts der Kreation des Posthumanen.

Die hohe persönliche emotionale Investition in das Experiment bringt sie beispielsweise dazu, das Sicher­heitsprotokoll für Kontamination zu ignorieren und H50 zu erlauben, eine genetisch programmierte Bindung zu ihr aufzunehmen. Der Film unterstreicht in dieser Szene sowohl visuell, durch Einbindung der Kreatur in einen bei zwischenmenschlichen Dialogen klassisch im Hollywood-Kino eingesetzten shot-reverse shot, als auch akustisch, durch Heraushebung der von H50 vorgebrachten Laute, die metaphorische Übertragung der Situation auf die emotionale Bindung von Mutter und Säugling, was inhaltlich zu diesem Zeitpunkt einen Vorgriff auf die spätere Erkenntnis darstellt, dass Elsa ihr eigenes Genmaterial in den posthumanen Mix eingebracht hat. In perfekter Nachahmung realer Mutterschaft entwickelt Elsa nicht nur eine sorgende Beziehung zu ihrer Schöpfung, sondern ist mit elterlichem Stolz erfüllt, wenn H50 sich entwickelt und Lernfortschritte aufweist, wenn es in ihr ein Rollenvorbild sieht und sie nachahmt. Insbesondere, als die menschlicher werdende Form von H50 irgendwann dazu führt, dass es Bewusstsein entwickelt, sich selbst identifizieren lernt und so den Namen Dren erhält, ist Elsa überzeugt, hier ein menschliches Kind vor sich zu haben, auch wenn Dren durchaus nicht-menschliche Züge aufweist. Das intelligente Mädchen verfügt über deutliche animalische Aspekte, die als das bedrohlich ‚Andere‘ auch immer wieder hervortreten, etwa wenn Dren Clives Bruder angreift, weil dieser in ihr Territorium eindringt, oder wenn sie später im Film ihren Jagdinstinkten freien Lauf lässt. Dren repräsentiert die Dualität einer menschlichen und nicht-menschlichen Herkunft, was vom Film durch opulenten Einsatz visueller und auditiver Effekte auch immer wieder herausgestellt wird. Ihr einnehmendes oder liebreizendes Verhalten (Ähnlichkeiten zu süßen Kaninchen oder gluckernden Babys sind, wie bereits erwähnt, im H50-Stadium nicht zufällig durch den Film hervorgehoben) wird durch die Darstellung von raubtierhaften Drohgebärden wie aggressivem Fauchen, geduckter Haltung oder dem Aufstellen des Giftstachels immer wieder konterkariert, wodurch Splice auf Drens duale Natur verweist. Das Posthumane ist zugleich erkennbar menschlich und animalisch ‚anders‘. Der Film zeichnet Dren dabei als instabiles Wesen, nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Sie wandelt sowohl ihren Körper als auch ihre Identität und passt diese den Bedürfnissen der Situation an: mal hilfloses Kind, mal bedrohlicher Jäger, mal Tier, mal Mensch, mal verführerische Lolita, mal brutales Monster. Der Film zeigt Dren in konstanter Überschreitung der Grenzen von Spezies, Geschlecht und sozialer Rolle und animiert den Zuschauer so gleichermaßen zu Mitgefühl und Abscheu. Es liegt in Drens proteischer Natur begründet, in ihrer bedrohlichen Anpassungsfähigkeit und kategorialen Instabilität, dass wir ihre posthumane Natur als Irritation wahrnehmen und sie nie vollständig unsere Sympathien erhält. Splice verdeutlicht unser Dilemma, die Gefahren des Posthumanen klar zu identifizieren, und drückt dies in Clive aus, der sich irgendwann die Frage stellt, ob es Drens menschliche oder tierische Gene sind, die sie zu einem so gefährlichen und unberechenbaren Wesen machen. Ohne direkte Antwort zu geben, verweist der Film auf die im großen Mythos menschlicher Schaffenskunst angelegte Problematik der Hybris. Nicht welches DNS-Element der Kreatur die Gefahr bedingt, ist für den Film relevant, sondern welches Element des kreativen Prozesses. Eine Antwort, wenn denn eine zu finden ist, wird in einer an zentralen Entscheidungsmomenten von den Wissenschaftlern gestellten lakonischen Frage deutlich: „What’s the worst that could happen?“

Jegliche Genmanipulation, jeglicher Splice, kann zu unvorhersehbaren Konsequenzen führen, wie der Film in einer drastischen Szene mit Clives Erstkreationen verdeutlicht. Die für medizinische DNS-Ausbeutung entwickelten Splices ‚Fred‘ und ‚Ginger‘, zwei amorphe Klumpen Biomasse, verwandeln sich bei einer PR-Präsentation in aggressive Rivalen und bekämpfen sich. In ihrer genetischen Zusammensetzung befand sich ein Gen, das eine Geschlechtsumwandlung des Weibchens in ein Männchen ermöglichte, jedoch ohne dass dies von den Forschern beabsichtigt oder bemerkt worden wäre. Statt einer liebevollen Paarung wird der Showevent für die Shareholder des Pharmakonzerns somit zu einem blutigen Massaker der beiden männlichen Rivalen. Die Natur ist unberechenbar und die Konsequenzen eines Eingriffs in ihre Vorgänge durch den Menschen sind unkontrollierbar und können potentiell zur Katastrophe führen.

Die Frage, was das Schlimmste sei, das passieren könne, wird erneut dramatisch in den Mittelpunkt gerückt, als das genetische Experiment in die Pubertät gerät und ihre Mutter-Wissenschaftlerin mit einem rebellischen Teenager konfrontiert ist. Als Dren Elsas Autorität ablehnt, kehren Elsas eigene Kindheitserinnerungen hervor und die Sorgen ob ihrer Fähigkeiten als Mutter, die sie vor einer Schwangerschaft hatten zurückschrecken lassen, bewahrheiten sich. Elsa, die als Kind von ihrer kontrollsüchtigen Mutter seelisch und körperlich missbraucht wurde, wiederholt den Missbrauch und versucht, die Kontrolle über Dren zu behalten. Zuerst greift Elsa zu emotionaler Erpressung, dann zu Drohungen und am Ende bleibt ihr nur, ihre eigene Überlegenheit durch physischen Missbrauch zu beweisen. Nachdem Dren sie in einer Konfrontation mit ihrem Stachel bedroht hat, kommt Elsa zu dem Schluss, das ‚Experiment‘ weise eine „disproportionate species identification“ auf und müsse für ihr eigenes Wohl entmenschlicht werden. Der brutale Übergriff und die Verstümmelung Drens erreichen aber das genaue Gegenteil und am Ende fördert die Gewalt nur neue Gewalt zu Tage, zieht Missbrauch nur neuen Missbrauch nach sich. Elsas verzweifelter Akt, die Kontrolle zu behalten, löst in Dren den nächsten (und letzten) evolutionären Schub aus und sie mutiert. Ähnlich wie Frankensteins Kreatur spürt auch Dren die Zurückweisung ihrer Schöpfer und die Grausamkeit der Menschen, und auch sie wehrt sich dagegen durch Gewalt. Nachdem die Metamorphose abgeschlossen und Dren zu einem männlichen Racheengel geworden ist, drängt sich der Horroraspekt des Films immer deutlicher in den Vordergrund, und Dren ergeht sich in den letzten zwanzig Minuten in all den stereotypen Handlungen, die wir von klassischen Monsterfilmen erwarten.

Schlussbemerkungen

Die SF-Aspekte von Splice bieten zahlreiche Ansätze, den Film auf seine Verhandlung sowohl des Posthumanen als auch in Bezug auf die neuere Fachrichtung der Animal Studies hin zu untersuchen, ebenso wie die erweiterte Metapher der Elternschaft sich zur Analyse anböte. Splice positioniert das Posthumane als menschliche Schöpfung, die gerade dadurch immer fehlerhaft sein wird, dass sie das Kind imperfekter und unverantwortlicher Eltern ist. Und ob diese Fehler nun angeboren oder anerzogen sind, spielt dabei kaum eine Rolle. Die Natur ist unberechenbar und chaotisch. Jeder Versuch der Manipulation ist dazu verurteilt, Konsequenzen nach sich zu ziehen, die schier unmöglich zu kontrollieren sind, wie uns schon die Hybris Victor Frankensteins zeigte.

Elternschaft, der Aspekt der Erziehung in der Gleichung, ist ebenso problematisch, auch wenn Splice recht pointiert eine Umkehrung der Situation aus Frankenstein präsentiert sowie mit Elsa besonders wirksam die Genderstereotype austauscht. Wie können wir als Menschen aus einer komplett anthropozentrischen Sicht heraus annehmen, das Posthumane ließe sich mit denselben Standards und Methoden erziehen und bewerten wie das Humane? Hierin liegt die doppelte Hybris begründet, weil das Posthumane eine veränderte konzeptionelle Position von uns verlangt, eine Position, die das über das Menschliche Hinausgehende der Kreation in Betracht zieht. Und das Posthumane fordert darüber hinaus die Einsicht von uns, dass wir und unsere Position bei Weitem nicht vollkommen sind, dass der Mensch, wie Michel Foucault es beschrieben hat, eine vorübergehende und verblassende Kategorie darstellt. Die Bedrohung durch das Posthumane liegt also nicht nur in ihrer Andersartigkeit, sondern vielleicht gerade in ihrer Ähnlichkeit zum Menschen begründet.

Zitierte Werke:

Abbott, Stacey. „Final Frontiers: Computer-Generated Imagery and the Science Fiction Film“. Science Fiction Studies 33.1 (2006): 89-108.

Aldiss, Brian W. Billion Year Spree – the True History of Science Fiction. Garden City: Doubleday, 1973.

Allen, Glen Scott. Master Mechanics & Wicked Wizards: Images of the American Scientist as Hero and Villain from Colonial Times to the Present. Amherst: U of Massachusetts P, 2009

Gunn, James. „Introduction“. The Road to Science Fiction. Vol. 1: From Gilgamesh to Wells. Ed. James Gunn. Lanham: Scarecrow, 2002. vii-xviii.

Perkins, Sid. „What’s Wrong with This Picture?“ Science News 166.16 (2004): 250-52

Schmeink, Lars. „Mythos und ‚Madness‘: Der Wissenschaftler in Shelleys Frankenstein und Atwoods Oryx and Crake.“ Wahnsinn in der Kunst: Kulturelle Imaginationen vom Mittelalter bis zum 21. Jahrhundert. Hg. Susanne Rohr und Lars Schmeink. Trier: WVT, 2011. 225-50.

Splice. 2009. Dir. Vincenzo Natali. Act. Adrien Brody, Sarah Polley, Delphine Chaneac. DVD. USA. Warner, 2010.

[1]      Obwohl durchaus die Möglichkeit zu einer produktiven Lesart im Horrorgenre bestünde. So könnte man dem Film beispielsweise mit psychoanalytischen Mitteln zu begegnen versuchen und das posthumane Wesen als nicht-menschliche Monstrosität lesen, die, von durchrationalisierten hoch entwickelten und hoch technisierten Gesellschaften quasi als Verkörperung des Es empfunden und interpretiert, den sich intensivierenden Konflikt des Menschen mit sich selbst darstellt. Mein Dank gilt Jacek Rzeszotnik für diese Hinweise.

[2]      Die TV-Serie CSI: Crime Scene Investigation (dt. CSI ­– Den Tätern auf der Spur, USA 2000-, Idee: Ann Donahue und Anthony E. Zuiker) gilt in der Kritik als Vorreiter des nach ihr benannten ‚CSI-Shot‘, bei dem die Kamera sich (unter anderem dank CGI-Technologie) in den menschlichen Körper oder auf die mikroskopische Ebene begibt und so eine visuelle Umsetzung einer für das menschliche Auge ursprünglich nicht sichtbaren wissenschaftlichen Erklärung liefert (vgl. Abbott 97).

[3]      Der Film führt bereits in seiner Eröffnungssequenz die Metapher der Elternschaft ein, indem die erste Szene der Geburt des genetisch-erschaffenen Wesens „Fred“ folgt und dabei aus dessen Perspektive den Weg aus der künstlichen Gebärmutter und in die Arme seiner Eltern/Erschaffer Clive und Elsa nachvollzieht. Die Komplikationen der Geburt, visuell durch Blackouts, heftige Kameraschwenks und Erschütterungen umgesetzt, verdeutlichen dabei die emotionale Bindung der ‚Eltern‘ und deren Kampf um das Leben ihres ‚Kindes‘, die Clive am Ende stolz mit „It’s perfect“ kommentiert.


Im Original erschienen in Zeitschrift für Fantastikforschung.

Schmeink, Lars. “Frankenstein und das posthumane Monster: Vincenzo Natalis Splice.” Zeitschrift für Fantastikforschung 2.1 (2011): 108-15.

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